Herrin Der Stürme - 2
aufwärts, immer höher und fort von ihm, auf einem langen Luftstrom, bis er sie einholte.
An diesem Abend, als Dorilys allen gute Nacht gesagt hatte und fortgeschickt worden war, bedeutete Aldaran Allart und Renata mit einer Handbewegung, in der Halle zu bleiben. Die Musikanten spielten, und einige der Schloßbewohner tanzten zu den Klängen der Harfen, aber Dom Mikhail runzelte die Stirn, als er einen Brief ausbreitete. »Seht her. Ich habe eine Botschaft nach Storn gesandt, um Verhandlungen über eine Hochzeit mit Dorilys zu eröffnen. Im letzten Jahr wollten sie von nichts anderem sprechen, aber dieses Jahr erhalte ich nur die Antwort, daß wir später darüber reden sollten: Dorilys sei noch zu jung, und wir sollten abwarten, bis sie ins heiratsfähige Alter kommt. Ich frage mich …«
Donal sagte unverblümt: »Dorilys ist zweimal verlobt gewesen, und in beiden Fällen starb ihr Bräutigam kurz darauf einen gewaltsamen Tod. Sie ist intelligent und schön und ihre Mitgift Schloß Aldaran, aber es wäre überraschend, wenn unbeachtet bliebe, daß die, die sie heiraten wollen, nicht lange leben.«
»Wenn ich Ihr wäre, Lord Aldaran«, sagte Allart, »würde ich den Gedanken an eine Heirat aufschieben, bis Dorilys die Pubertät überwunden hat und frei von der Gefahr der Schwellenkrankheit ist.«
Den Atem anhaltend fragte Aldaran: »Allart, habt Ihr etwas vorausgesehen? Wird sie wie die Kinder aus meiner ersten Ehe an dieser Krankheit sterben?«
Allart erwiderte: »Ich habe nichts dergleichen gesehen.« Tatsächlich hatte er sich angestrengt bemüht, nicht in die Zukunft zu schauen, denn es schien, daß zur Zeit nichts zu erblicken war als Katastrophen, von denen viele weder zeitlich noch örtlich bestimmbar waren. Immer wieder hatte er Schloß Aldaran belagert gesehen: fliegende Pfeile, bewaffnete Männer im Kampf, und Blitze, die aufflammten und in die Festung einschlugen. Allart hatte versucht, dasselbe zu tun wie in Nevarsin: Alles aus seinem Geist zu verbannen, nichts zu sehen, denn das meiste waren eh nur Trugbilder und bedeutungslose Ängste.
»Hierfür ist Vorausschau nutzlos, mein Fürst. Auch wenn ich hundert verschiedene Möglichkeiten sähe, würde doch nur eine davon eintreten. Also ist es sinnlos, in die Zukunft zu schauen und sich vor den übrigen neunundneunzig zu fürchten. Wenn es unvermeidlich wäre, daß Dorilys an der Schwellenkrankheit stirbt, könnte ich nicht vermeiden, das zu sehen. Aber ich habe nichts dergleichen festgestellt.«
Dom Mikhail bedeckte das Gesicht mit den Händen und sagte: »Ich wünschte, ich hätte eine Spur Eurer Gabe, Allart! Mir scheint, daß dies ein deutlicher Beleg dafür ist, daß die Leute von Storn mit meinem Bruder Scathfell in Verbindung stehen. Sie wollen ihn nicht erzürnen, weil er immer noch hofft, Aldaran auf irgendeine Weise zu erringen, wenn ich ohne den Schwiegersohn sterbe, der es für mich erhält.« Er bewegte den Kopf mit einer schnellen, falkengleichen Bewegung: »Und das wird nie geschehen, solange die vier Monde am Himmel stehen und Schnee im Mittwinter fällt.«
Sein Blick fiel auf Donal und wurde sanft. Jeder wußte, was er dachte: Daß es höchste Zeit wurde, wenigstens Donal zu verheiraten. Donal verkrampfte sich. Er wußte, daß jetzt nicht die Zeit war, zu reden und Aldaran zu widersprechen. Dom Mikhail sagte: »Geht, Kinder und leistet den Tanzenden in der Halle Gesellschaft, wenn ihr wollt. Ich muß über das nachdenken, was ich meinen Verwandten in Storn erwidere.« Donal atmete auf.
Später am Abend sagte er: »Wir dürfen nicht länger zögern, Renata. Sonst wird der Tag kommen, an dem er mich zu sich ruft und ›Donal, hier ist deine Braut‹ sagt, und dann werde ich Schwierigkeiten haben, ihm zu erklären, warum ich sie nicht heiraten kann, ganz gleich, welche von den geistlosen Töchtern seiner Vasallen er für mich ausgesucht hat. Renata, soll ich zu den Kilghard Hills reiten und mich in meinem eigenen Namen um deine Hand bewerben? Was glaubst du? Würde Dom Erlend seine Tochter einem armen Mann geben, der nicht mehr hat als ein kleines Gut? Du bist die Tochter eines mächtigen Reiches, deine Verwandten würden sagen, ich wäre lediglich an deiner Mitgift interessiert.«
Renata lachte. »Ich habe selbst nur eine kleine Mitgift. Ich habe drei ältere Schwestern. Und mein Vater ist so verärgert, daß ich ohne seine Einwilligung hierher gekommen bin, daß er mir sogar diese verweigern könnte! Meine Mitgift wird von Dom Mikhail
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