Herrin Der Stürme - 2
die Außentreppe zu. Hinter sich hörte er Schritte. Einen Augenblick später fühlte er ihre kleine Hand – die Hand eines Kindes – warm wie die Pfote eines Tieres, in die seine gleiten. Allart drückte sie. Zusammen eilten sie über den Hof zu Donals Standort an der Außenmauer.
Draußen war die Nacht hell und wolkenlos geworden. Nur am Horizont hing eine einzige, tiefe Wolkenbank. Die Monde schwebten hoch und klar in einem so hell erleuchteten Himmel, daß die Sterne verblaßten. Donal stand mit verschränkten Armen auf der Mauerkrone. Als Allart auf ihn zueilte, sagte jemand mit leiser, vorwurfsvoller Stimme: »Master Donal, ich bitte Euch, von der Mauer herabzukommen. Wenn Ihr dort steht, gebt Ihr ein gutes Ziel ab.« Donal tat, wie ihm geheißen. Keinen Augenblick zu früh. Zischend raste ein Pfeil aus der Dunkelheit heran und durchstieß die Luft an der Stelle, an der er gerade gestanden hatte. Er flog vorbei, ohne Schaden anzurichten. Dorilys rannte auf Donal zu und umfaßte seine Taille.
»Du darfst dort nicht stehen, Donal. Versprich mir, daß du es nie wieder tun wirst!«
Er lachte lautlos, beugte sich hinab und gab ihr einen flüchtigen, brüderlichen Kuß auf die Stirn. »Oh, ich bin nicht in Gefahr. Ich wollte nur sehen, ob noch jemand dort unten ist. Bei dieser Stille und in diesem Nebel wäre das sehr gut möglich gewesen.«
Das war auch Allarts Gedanke – daß ihre Gegner zu ruhig waren und irgendeine Teufelei bevorstand. Er fragte Donal: »Hat sich der Nebel von selbst gehoben?«
»Ich bin nicht sicher. Sie haben mehr als einen Laranzu dort unten, und der Nebel hat sich tatsächlich zu schnell gehoben«, antwortete Donal mit gerunzelter Stirn. »Aber in dieser Jahreszeit verflüchtigt er sich manchmal auf diese Weise. Ich weiß es nicht.«
Plötzlich war die Luft mit Schreien und explodierendem Feuer erfüllt. »Donal! Ruf die Wache!« schrie Allart. Noch ehe die Worte seinen Lippen entschlüpften, blitzte über ihnen ein Luftwagen auf. Einige kleine Gegenstände fielen langsam und träge wie Schneeflocken der Erde entgegen. Sie öffneten sich, noch während sie fielen, und ergossen flüssige Streifen aus Feuer auf Dächer und Burghof.
»Haftfeuer!« Donal sprang zur Alarmglocke. Schon loderten einige der Holzdächer auf. Das Feuer erleuchtete den ganzen Hof. Die Männer, die sich aus den Häusern ergossen, wurden schreiend von den Strömen der unlöschbaren Flammen gebremst. Zwei von ihnen brannten wie menschliche Fackeln; sie schrien so lange, bis ihre Stimmen erstarben und sie leblos auf dem Boden lagen. Donal sprang vor, um Dorilys unter einen überhängenden Steinsims zu stoßen, aber einige Tropfen des flüssigen Feuers lösten sich und erfaßten ihr Nachthemd, das hell aufloderte. Sie schrie vor Angst und Schmerzen, als er sie zu einem Wasserfaß zerrte und hineinstieß. Das Kleid zischte und erlosch, aber ein Tropfen des Haftfeuers war auf Dorilys’ Haut gefallen und brannte nach innen. Sie schrie ohne Unterlaß. Es war ein wilder, fast unmenschlicher Klang, als würden die Schmerzen sie zum Wahnsinn treiben. »Haltet euch zurück! Bleibt im Schutz des Gebäudes«, befahl Donal. »Über uns sind noch mehr.«
Von quälendem Schmerz beinahe wahnsinnig, wand Dorilys sich in seinem Griff. Über ihnen krachte plötzlich ein Donnerschlag, Blitze flammten auf und schlugen wild um sich… Plötzlich explodierte einer der Luftwagen in einem gewaltigen Flammenmeer und stürzte als loderndes Wrack ins Tal. Ein zweiter Blitzschlag traf den nächsten mitten in der Luft und ließ ihn in einem Feuerregen explodieren. Wassermassen prasselten plötzlich nieder und durchnäßten Allart bis auf die Haut. Erschreckt hatte Donal sich von Dorilys gelöst. In rasendem Zorn drohte das Kind dem Himmel mit der Faust, schlug mit mächtig zischenden Blitzen zu, hier, dort, überall. Der letzte Luftwagen wurde in einer gewaltigen Explosion zerrissen und fiel über den Unterkünften der Belagerer auseinander. Schreie und Schmerzgebrüll erklangen, als das Haftfeuer auf die hinabfiel, die es abgeschossen hatten. Dann war Stille. Nur das schwere, ununterbrochene Trommeln des Regens und Dorilys’ durchbohrenden Schmerzensschreie waren zu hören, da das Haftfeuer fortfuhr, sich in ihr Handgelenk zu fressen und zum Knochen vorzudringen.
»Laß mich sie nehmen«, sagte Renata, die barfuß im Nachtkleid herbeigeeilt war. Das Mädchen schluchzte und schrie und versuchte vergeblich, sie fortzustoßen. »Nein, Liebes, nein.
Weitere Kostenlose Bücher