Herrin Der Stürme - 2
dieser Kräfte? Bisher hatte Allart sich immer auf Ebenbürtige, auf seine Verwandten, verlassen. Jetzt mußte er mit Gemeinen zusammenarbeiten. Es ernüchterte und demütigte ihn gleichermaßen. Er fürchtete sich, ihnen zu trauen, aber er hatte keine Wahl.
Zuerst verband er seinen Geist mit Cassandra, dann mit Donal; dann mit den anderen im Kreis, einen nach dem anderen, und nahm dabei Spuren ihrer Empfindungen auf … Angst, Zorn über das, was man gegen sie ausgeschickt hatte, Beunruhigung über die ungewöhnliche Handlung, Fremdheit… Er fühlte, wie Dorilys in die Verbindung eintrat und spürte ihre wilde Wut auf die Angreifer, die es gewagt hatten, ihrem Heim etwas anzutun … Nacheinander nahm er jeden Mann und jede Frau in den Kreis auf und in das vereinte Bewußtsein, bewegte sich immer weiter nach draußen, suchte, und prüfte …
Beträchtliche Zeit schien vergangen zu sein, als er die Verbindung auseinanderfallen fühlte. Allart hob den Kopf. Er wirkte ernüchtert. »Bei dem, was sie gegen uns einsetzen«, sagte er, »handelt es sich nicht um eine natürliche Matrix, sondern um eine von einem Turmtechniker künstlich erzeugte. Damit versuchen sie, die natürliche Schwingung im Felsgestein des unter uns liegenden Berges zu verändern.« Während er sprach, streckte er eine Hand aus und konnte das schwache Zittern der Mauern fühlen, die das tiefe Beben der Grundmauern, der Erzadern und alten Felsschichten unter ihnen reflektierte.
Dom Mikhail war unrasiert. Unter den ungepflegten Stoppeln des grauen Bartes war sein Gesicht leichenblaß. »Sie werden die Burg über unseren Köpfen zum Einsturz bringen! Gibt es keine Abwehr, Allart?«
»Ich weiß nicht«, antwortete Allart. »Selbst wenn wir gemeinsam vorgingen, könnten wir einer Matrix dieser Größe kaum etwas entgegensetzen.« Gab es überhaupt eine Hoffnung, oder sollte Aldaran kapitulieren, ehe die ganze Burg zur Ruine wurde? »Wir könnten versuchen, einen Bindezauber über den Berg zu legen«, schlug er zögernd vor. »Ich weiß nicht, ob er halten würde, selbst wenn wir mit vereinten Kräften daran arbeiteten. Aber das scheint unsere einzige Hoffnung zu sein.« Dorilys sprang auf. Sie war mit ihrer Matrix zum Wintergarten gekommen, ohne sich um ihre Bekleidung zu kümmern, und saß da in ihrem langärmeligen, kindlichen Nachtgewand. Das offene Haar ergoß sich wie eine Kaskade frischen Kupfers über ihre Schultern. »Ich habe eine bessere Idee«, rief sie. »Ich kann ihre Konzentration brechen, nicht wahr, Vater? Donal, komm mit mir!«
Fassungslos sah Allart zu, wie sie aus dem Raum eilte. Im Flüstern der Männer und Frauen hörte er wieder den Namen, den man ihr gegeben hatte.
»Sturmkönigin, Herrin der Stürme. Unsere kleine Lady, unsere kleine Zauberin. Sie kann einen Sturm entfachen und den Leuten dort unten wirklich etwas vorsetzen, das sie in Atem hält.«
Allart wandte sich flehend Dom Mikhail zu.
»Mein Fürst…«
Langsam schüttelte Lord Aldaran den Kopf. »Ich sehe keine andere Möglichkeit, Cousin. Entweder das – oder sofortige Kapitulation.« Allart senkte den Blick. Er wußte, daß Dom Mikhail die Wahrheit sprach.
Als er ihnen zu der hohen Brustwehr folgte, wo Dorilys mit Donal stand, konnte er sehen, daß sich die Wolken bereits sammelten und dichter wurden. Als Dorilys die Arme hob und einen wortlosen Schrei ausstieß, zuckte er zurück. Kraft schien aus ihr hervorzubrechen. Sie war nicht mehr länger nur eine junge Frau im Nachtgewand mit wehendem Haar. Über ihren Köpfen tobte der Sturm wie ein Explosivgeschoß los; ein gewaltiger Donnerschlag und aufflammende Blitze, die den Himmel auseinanderzureißen schienen. Ein Wolkenbruch ergoß sich, machte die unter ihnen liegende Szenerie unsichtbar. Dennoch spürte Allart durch den rollenden Lärm der Donnerschläge und den Glanz, der seinen Augen weh tat und die Himmel zerriß, was dort unten geschah.
Wasserfluten rasten auf das Lager am Fuß des Berges zu. Betäubendes Donnern, das Reittiere in Panik versetzte und sowohl in menschlichen wie nichtmenschlichen Lebewesen Angstzustände erzeugte. Ein Blitz traf das Zelt, in dem die Matrix-Arbeiter über dem großen, unnatürlichen Stein saßen, und machte sie blind und taub. Einige wurden verbrannt oder getötet. Regen, heftiger, durchnässender, trommelnder Regen, schmetterte das Lager in Grund und Boden und versetzte jeden Fels und jeden Baum, der Schutz bot, in wilde Bewegung. Er reduzierte jedwedes Leben im Lager auf nackte,
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