Herrin des Blutes - Thriller
der Dose. Es fühlte sich gut an, als die kalte Limonade ihre Kehle hinunterrann. Ein wenig erfrischt setzte sie sich in Richtung von Chads Lexus in Bewegung. Sie lächelte Jim an, als sie an ihm vorbeiging. Er nickte ihr zu, wobei sie nichts in seinen Augen lesen konnte, die er wie meistens hinter seiner dunklen Sonnenbrille verbarg. Sie öffnete die Beifahrertür und kletterte in den Wagen.
»Danke, dass du angehalten hast. Ich fühl mich schon viel besser, seit ich mir …«
Dann sah sie den Gegenstand, der auf dem Armaturenbrett lag, und ihre Stimme erstarb. Es handelte sich um einen Mitarbeiterausweis mit ihrem Foto. Ganz oben stand in kobaltblauer Blockschrift FRANKLIN SECURITY CONSULTANTS. Unter ihrem Bild war in kleineren Buchstaben der Name Jennifer Campbell zu lesen, flankiert vom Titel »Senior Solutions Specialist«.
Die hintere Tür auf ihrer Seite des Lexus öffnete sich, und jemand rutschte hinter ihr auf den Rücksitz. Die Tür schlug mit einem dumpfen Knall zu und Allyson nahm einen schwachen Tabakgeruch wahr. Jim . Zunächst sagte keiner von ihnen ein Wort. Allysons Gesicht rötete sich und auf ihrer Stirn bildeten sich Schweißperlen. Die Luft im Wagen fühlte sich mit einem Mal sehr stickig und heiß an. Die glatte Aludose begann, ihr aus den Fingern zu rutschen. Sie stellte sie mit zitternder Hand in den Getränkehalter und versuchte, sich etwas – irgendetwas – zu überlegen, womit sie diesen Fund stichhaltig erklären konnte.
Chad räusperte sich und fragte: »Gibt es irgendetwas, was du uns sagen möchtest, Allyson? Oder sollte ich dich lieber Jennifer nennen?«
In seiner Stimme schwangen gleichermaßen Wut und Schmerz mit. Seine Verwundbarkeit riss sie aus ihrem Zustand panischer Sprachlosigkeit. Das teilweise Geständnis, das folgte, platzte aus ihr heraus, ohne dass sie auch nur eine Sekunde darüber nachdenken konnte. »Ich bin ein ehemaliger Pornostar und war drogenabhängig. Allyson Vanover ist mein richtiger Name. Ich komme ursprünglich aus Los Angeles, aber ich bin vor meinem Leben dort davongelaufen, weil es komplett außer Kontrolle geraten war. Ich habe in knapp zwei Jahren 24 Pornos gedreht, und die 10.000 Dollar sind das, was davon noch übrig war, als wir uns kennenlernten. Ich hab so viel Koks genommen, dass ich die ganze Zeit Nasenbluten hatte und tagelang nicht schlafen konnte. Ich musste einfach da raus, sonst wäre ich gestorben. Jennifer Campbell ist der Name, den ich mir ausgedacht habe, falls ich eine neue Identität benötige und wirklich noch mal ganz von vorn beginne.«
Die Worte waren nur so aus ihr herausgesprudelt und über ihre Zungenspitze gepurzelt wie Kieselsteine über einen tosenden Wasserfall. Genau wie bei ihren jüngsten Auslassungen nach dem Blutbad in der vergangenen Nacht bestand ihre Geschichte auch diesmal aus ineinander verwobenen realen und erfundenen Erzählsträngen. Und wieder entsprach ein Großteil der Wahrheit. Aber sie hatte nicht die geringste Hoffnung, dass ihr die beiden Männer erneut das komplette Paket abkaufen würden. Sie befürchtete, die Kombination aus Jims Paranoia und Chads verletzten Gefühlen würde dazu führen, dass sie sie einfach auf der Straße stehen ließen. Der Gedanke daran erfüllte sie mit tiefster Verzweiflung. Sie hatte viel Schlimmes angerichtet, aber sie gab verdammt noch mal ihr Bestes, um es wiedergutzumachen. Das Gefühl der Ungerechtigkeit, die sie ausgerechnet in dem Moment mit voller Wucht traf, nachdem sie den bösen Jungs so richtig die Meinung gegeigt hatte, brannte in ihr.
Chad blinzelte irritiert. Er wirkte schockiert. »Äh … Pornos?«
Allyson nickte energisch. Ihre Augen leuchteten und beschworen ihn förmlich, ihr zu glauben. »Ich schwör’s bei Gott.« Sie schaute in den Rückspiegel, hielt Jims stoischem Blick einen Moment lang stand und sah dann wieder zu Chad hinüber. »Ich hab keine Ahnung, was ihr Jungs glaubt oder welchen Verdacht ihr hegt, aber ich schwöre euch, dass ihr damit falsch liegt.« Ein Zittern schlich sich in ihre Stimme, und Tränen liefen über ihre Wangen. »Ich bin kein schlechter Mensch. Ich liebe dich, Chad, und ich hab dir nicht die Wahrheit über meine Vergangenheit gesagt, weil ich wusste, dass du sicher nichts mit jemandem zu tun haben willst, der so … billig ist.«
Die Tränen verwandelten sich in Schluchzen, ein aufrichtiger Gefühlsausbruch, in dem nicht der kleinste Hauch von Heuchelei lag. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass die echte Allyson
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