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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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habt die Wohnung rund um die Uhr
bewacht. Ihr habt den Mörder gefilmt. Warum hat die Polizei ein Foto von Judith
Kepler, aber keines vom Täter?«
    Teetee seufzte. Es ging alles wieder von vorne los. Man gab ihm den
kleinen Finger, er packte gleich den Arm und wollte einen kopfüber mit
hinunterziehen in seinen Abgrund.
    »Weil deine Putzfrau und der Mörder vielleicht ein und dieselbe Person
sind?«
    Das Toughbook schaltete auf Energiesparmodus. Der Bildschirmschoner
zeigte einen Mann, eine Frau und ein Kind. Teetee ging zum Schreibtisch und
klappte rasch den Deckel zu. Kaiserley ließ sich nichts anmerken. Es
interessierte ihn wahrscheinlich nicht. In Kaiserleys Leben hatten
Erinnerungen keinen Platz. Es sei denn, sie drehten sich um Sassnitz.
    »Judith Kepler ist keine Mörderin.«
    »Okay. Und warum ist sie dann auf einmal so interessant?«
    »Sie hat etwas. Sie weiß etwas. Ich will wissen, wo sie ist. Und ich will
einen Vorsprung.«
    »Ehrlich. Ich habe keine Ahnung, von was du redest.«
    »Ich rede von der Frau, die das nächste Opfer sein könnte. Und dieses Mal,
Teetee, steckst du mit drin.«
    »Ich? Warum?«
    »Weil du sie ans Messer lieferst«, sagte er leise.
    »Ich mache meinen Job. Okay? Nur meinen Job.«
    »Das habe ich mir damals auch eingeredet.«
    Kaiserley nahm seine Jacke von der Stuhllehne und ging, ohne sich noch
einmal umzusehen oder so etwas wie danke zu sagen. Teetee atmete auf, als er
die Tür ins Schloss fallen hörte. Aber er war nicht zufrieden. Ganz und gar
nicht.
     
    Dr. Matthes verlor keine Zeit und eilte an Schwester Reinhild vorbei in
das Zimmer von Martha Jonas. Auf den ersten Blick war die alte Dame allein. Das
Fenster stand sperrangelweit offen. Matthes sah in den dunklen Garten, dann
schloss er die Flügel und drehte sich zu Martha Jonas um, die so tat, als ob
sie schliefe.
    »Wo ist sie?«
    Er hatte eine angenehme Stimme. Alles an ihm war angenehm. Schwester
Reinhild fühlte sich in seiner Nähe ausgesprochen wohl. Dabei war er kein
gutaussehender Mann, im landläufigen Sinn. Ende sechzig, mittelgroß, kompakt,
mit einem fast kahlen Schädel und fein gezeichneten, intelligenten Zügen.
Sommersprossen bedeckten sein Gesicht, und die Brauen über seinen hellen Augen
waren fast weiß. Wenn er im Gespräch die Brille absetzte und seine Patienten dabei
anschaute, war es so, als würde er in ihre Seele blicken. Manchmal hatte
Schwester Reinhild das Gefühl, auch in ihre. Dann spürte sie, wie ihr heiß
wurde bei dem Gedanken, er könne wissen, was sie für ihn empfand.
    »Frau Jonas, sehen Sie mich an.«
    Er trat ans Bett und berührte Jonas' Arm. Sie schlief, tief und fest. Und
wenn sie nur so tat als ob, dann machte sie das gut.
    »Sie kann nicht weit sein«, sagte Schwester Reinhild. »Soll ich dem
Wachdienst Bescheid sagen?«
    »Ja. Lassen Sie die Hunde aus dem Zwinger und veranlassen Sie Patrouille.«
    Patrouille war das Wort für Alarmstufe zwei, wenn wieder einmal jemand
ausgerissen war, der den Weg zurück aus dem Wald alleine nicht mehr finden
würde. Oder wenn Unbefugte in das Haus eindrangen und Fotos machten, wie das
diese Reporter aus Hamburg vor einiger Zeit versucht hatten. Der Arzt fühlte
den Puls der Patientin. Dann deckte er sie sorgfältig, fast liebevoll zu.
    »Sie wird wiederkommen«, sagte er. Es war nicht klar, zu wem er das sagte.
Ob zu Frau Jonas. Oder zu ihr, Schwester Reinhild, und doch wurde sie das
ungute Gefühl nicht los, einen schlimmen Fehler gemacht zu haben.
    Gemeinsam verließen sie das Zimmer. Beim Hinausgehen streifte der Ärmel
des Arztes ihren Unterarm.
    »Es tut mir leid«, sagte sie.
    Der Arzt lächelte. »Nicht doch. Es ist nicht Ihre Schuld. Diese Leute sind
geschickt, wenn es darum geht, ihre wahren Absichten zu verschleiern. Ich
werde veranlassen, dass Frau Jonas in den ersten Stock verlegt wird. Die
Fenster sind ein Risiko. Aber ich mag nun mal keine Gitter.« Er blieb stehen.
»Niemand mag Gitter.«
    Schwester Reinhild sah ihm nach, wie er den Gang hinunter auf den Ausgang
zustrebte. Sie strich mit der Hand über ihren Unterarm.
     
    Judith stand unter dem Fenster mit dem Rücken an der Wand. Sie befand sich
auf der Meerseite des Hauses. Hinter einem kurzen Stück Rasen neigte sich der
Hang sanft hinunter zum Wald. Sie stieß sich von der Wand ab und rannte los.
Noch bevor sie die Absperrung zum alten Hafen erreichte, hörte sie die Hunde.
Sie jaulten und bellten. Dann verriet ihr triumphales Geheul, dass sie
Witterung aufgenommen

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