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Herrn Zetts Betrachtungen, oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern (German Edition)

Herrn Zetts Betrachtungen, oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern (German Edition)

Titel: Herrn Zetts Betrachtungen, oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern (German Edition)
Autoren: Hans Magnus Enzensberger
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man in Zugabteilen und Wartezimmern werden kann. Dort gehtes gewöhnlich um Diätvorschriften, Gynäkologie, Haustiere und den Ärger mit dem Klempner, wenn der Wasserhahn tropft.«
    »Nein. Wir möchten Ihre Ansichten zur
Sexualität hören.«
    »Dazu«, sagte Z. »kann ich mich nicht durchringen; denn ich weiß darüber ebensowenig wie Sie. Da müßten Sie sich eher an eine Briefkastentante oder an eines der zahlreichen Internetforen halten. Aber wenn Sie darauf bestehen …«
    »Ja«, sagten die beiden.
    »Nun, dann möchte ich den Einfallsreichtum des Schöpfers oder wahlweise der Evolution loben; denn der Idee, gleich mehrere Geschlechter zu erfinden, verdanken wir doch erstaunliche An- und Aufregungen. Dahinter muß mehr stecken als die Notwendigkeit der Fortpflanzung. Wenn es bei dem schlichten Verfahren der Viren und der Amöben geblieben wäre – einmal halbieren und Schluß –, dann gäbe es keine Familien, keine Ehen, keine gefährlichen Liebschaften und keine Singles. Die Standesämter, Scheidungsanwälte und Paartherapeuten wärenbrotlos. Das ließe sich noch verschmerzen, aber für die Literatur, den Film und das Fernsehen sähe es schlecht aus ohne Adam und Eva, Tristan und Isolde, Romeo und Julia und so fort. Auch wenn es durch diesen Trick der Natur zu unliebsamen Komplikationen kommen kann, wer möchte schon auf ihn verzichten?«
    Einige fragten sich, ob dem jungen Paar mit dieser knappen Antwort gedient war.

201 »Sie zögern?« fragte Z. »Sie glauben doch nicht, daß ich Sie entmutigen möchte? Davon bin ich weit entfernt. Wir wissen doch alle, daß die Resignation in der Natur nicht vorkommt. Auch wir sollten sie meiden. Natürlich wird es nicht an Leuten fehlen, die Ihrem Glück im Wege stehen, die Ihnen nicht nur abraten werden; man wird Ihnen Prügel zwischen die Beine werfen, an den Karren fahren, ans Leder gehen. Daß es dafür so viele Ausdrücke gibt, kann ja kein Zufall sein. Am besten vertrauen Sie darauf, daß die Saboteure Ihrer Neigung sich zunächst einmal selbst ins Bein hacken werden, um dann, nachdem sie sich ihr eigenes Grab geschaufelt haben, Selbstmord auf Raten zu begehen. Auch um diese Hoffnung auszudrücken, fehlt es, wie Sie sehen, nicht an passenden Redewendungen.«

202 »Ganz besondere Vorsicht empfiehlt sich, wenn sich uniformierte Personen um Ihr Wohl kümmern. Das sage ich allen, die um ihre Sicherheit bangen. Hüten Sie sich vor Personenschützern und gehen Sie den gerne so genannten Ordnungskräften aus dem Wege! Sie sollten wissen, daß diese Leute nicht dazu da sind, Ihre Person zu schützen, und daß es ihnen nie und nimmer um Ihre Sicherheit geht. Wie soll man die Aufpasser von Hooligans und Radaubrüdern unterscheiden? Das fällt nicht nur in Syrien, im Iran, in Rußland, sondern auch ganz in Ihrer Nähe schwer.«

203 »Wie schwer ist es, einsam zu sein!« Z. ließ es bei diesem Stoßseufzer nicht bewenden. »Das, meine Freunde, weiß nicht nur der deutsche Schlager, das weiß auchdie Wirtschaft. Wer Verbündete braucht, sollte sich an das Deutsche Verbände Forum in Bonn wenden. Dort gibt es über 14   000 Adressen für jeden, der nicht isoliert vor sich hinwerkeln will, sondern seiner Sache Gewicht und politischen Einfluß verschaffen möchte. Dazu werden selbstverständlich Geschäftsführer und eigene Büros benötigt. An dem entsprechenden Personal herrscht kein Mangel. Notfalls kann man sich an die Deutsche Gesellschaft für Verbandsmanagement e. V. halten, die ebenfalls in Bonn residiert.
    Wir haben es also mit einer Fundgrube zu tun! Da sich kein Mensch merken kann, was da zur Verfügung steht, habe ich mir einen Zettel mitgebracht. Darf ich daraus vorlesen?
    Da wäre die Prüfgemeinschaft Mauerbohrer, der Verband Der Berufsringer e. V., der Altlastensanierungsverband … Soll ich aufhören?«
    »Nein!«
    »Also auf zum Allgemeinen Verband der Hundefreunde AVDH-UCI, zur Aeternitase. V. Verbraucherinitiative Bestattungskultur und zum Verband der Weichschaum-Industrie! Null Ergebnisse bietet leider die Liste dem, der nach einer Vertretung der Atommeiler sucht. Vermißt habe ich auch den Verband der Nähmaschinennadel-Hersteller, von dem mir neulich jemand erzählt hat. Vielleicht war ich aber auch mit der Suche nach der Nadel im Heuhaufen schlicht überfordert.«
    »Und was schließen Sie aus Ihrer Recherche?«
    »Wir brauchen uns um die Vertretung unserer Interessen keine Sorgen zu machen, wie abwegig oder entlegen sie auch sein mögen. Irgendeine
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