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Herrndorf, Wolfgang - Sand

Herrndorf, Wolfgang - Sand

Titel: Herrndorf, Wolfgang - Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Troll Trollson
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was, na schau, nein, also nein, na los na, hier, ja, komm hier, ja, ja, ja, komm, ja, ja. Schau, schau.»
    Ohne zu wissen, was er tat, war Carl stehen geblieben. Er spürte dem sonderbaren Gefühl in seinem Kopf nach und strich sich durch den Siebentagebart. Als er nach einer Weile aus seinen Gedanken erwachte, merkte er, dass er minutenlang auf ein Schaufenster gestarrt hatte. Er stellte den Blick scharf und sah einen dahinter herumhantierenden Mann. Es war das Schaufenster eines Barbiers.
    Kurz entschlossen betrat er den Laden, setzte sich auf einen der freien Polsterstühle und bat um eine Rasur. Ein feuchtes und heißes Handtuch schlug in seinen Nacken. Der Barbier war ein kleiner, flinker Mann und redete, während er Carls Bart abschabte, wie das Klischee seines Berufsstandes.
    Carl hörte nicht zu, und als er zwischendurch einmal doch zuhörte, ging es anscheinend um einen Kriminalfall. Er starrte sein Spiegelbild an, und sein Spiegelbild starrte ihn an mit einem Ausdruck der Konzentration, der an Leere grenzte. Ein Kriminalfall und seine Verwicklungen. Carl kniff die Augen zusammen und sah im Geiste die grüne Getränkedose unter dem Hinterrad des Autos, doch sah er sie nicht so, wie er sie während seines Spazierganges gesehen hatte, sondern seitenvertauscht und in der Art einer Fotografie: viereckig, verkleinert und mit leuchtenden Farben eingeklebt in das Fotoalbum seines Gedächtnisses.
    Der Barbier forderte ihn auf, ruhig zu bleiben. Carl umklammerte mit beiden Händen die Lehnen des Polsterstuhles, und schließlich rief er dem Mann zu, er solle schweigen, und klatschte sich die Hände auf die Augen. Eine Getränkedose unter einem Hinterrad auf einem Foto mit leicht abgerundeten Ecken … das war kein Foto. Es konnte kein Foto sein. Ober- und Unterkante des Bildes waren nicht ganz parallel. Ein trapezförmiges Bild mit runden Ecken und der scharf umrissenen Abbildung einer Getränkedose unter einem Autoreifen. Was zum Henker war das?
    «Und seitdem ist er auf der Flucht», fuhr der Barbier unbeeindruckt fort. «Und wenn du mich fragst – Kopf nach links, bitte. Wenn du mich fragst, hat der Hilfe gehabt, von ganz oben. So ein Polizeitransporter ist kein Pappkarton. Ein Freund von mir hat ihn im Leeren Viertel gesehen! Da ist er einfach über die Straße … ist gleich fertig, der Herr. Da hab ich gefragt, warum unternimmst du denn nichts, mein Freund? Und weißt du, was er sagt? Er sagt, was gehen mich die Nasrani an. Da sag ich, ich versteh dich ja, sag ich, aber was du nicht bedacht hast, da ist eine Belohnung ausgesetzt, und da sagt er, vier Nasrani, sagt er, so hoch kann keine Belohnung sein, dass ich mich da einmisch … das ist aber kein Argument, sag ich. Vier weniger sind sie auch so, da kannst du also auch die Belohnung nehmen, weil weg ist weg, und tot ist tot, sag ich, da sagt er …», sagte der Barbier und sagte nichts mehr. Das Rasiermesser in seinen Händen verharrte noch einige Sekunden lang wie versteinert über dem gepolsterten Stuhl, auf dem niemand mehr saß. Im Waschbecken klimperte ein Geldstück, und in der Türöffnung schwebte für Bruchteile von Sekunden scheinbar schwerelos das Handtuch in der Luft, das Carl sich im Hinausrennen von den Schultern geworfen hatte; bevor es zu Boden fiel.
    Carl legte die ganze Strecke im Laufschritt zurück. Dabei wischte er sich den Rasierschaum mit dem Ärmel aus dem Gesicht. Er lief an der Reihe parkender Autos entlang zurück wie an einem Gedankengang, den man rückwärts verfolgt. Das Auto mit den segelohrigen Rückspiegeln stand noch immer da, und es war noch immer ein senfgelber Mercedes 280 mit schwarzen Sitzen. Ein pinker Ford davor, ein fliederfarbener Ford dahinter. Er ging um das Auto herum. Dann hockte er sich vor das Hinterrad und betrachtete die Dose 7up, durch deren Trinköffnung Ameisen ein und aus gingen. War es das jetzt? War das das Bild? Er versuchte, die Dose unter dem Reifen hervorzuziehen, was nicht gelang. Es blickte ins Innere des Wagens. Dort konnte er nichts Ungewöhnliches entdecken. Die Sitze schienen aus Leder. Im Fußbereich vor dem Beifahrersitz lag eine braune Tasche, in der ein Packen Papier steckte. Das Fenster stand zwei Finger breit offen, die Tür war verschlossen. Ein gewöhnliches Auto mit gewöhnlichen Dingen darin … er kniete sich erneut vors Hinterrad und betrachtete die Aluminiumdose. Er zerrte daran.
    «Was machst du da?» Hinter ihm standen zwei junge Männer. Es waren keine Polizisten. Der eine war

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