Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
konnte, um die vollkommene Herrschaft über den Körper eines Kandras zu erlangen. Die Kandras erfüllten ihre Verträge, um dieses Geheimnis zu bewahren – sie wurden Diener, damit sie nicht als Sklaven endeten. TenSoon öffnete die Augen und sah sich in dem stillen Raum um. Das war der Moment, auf den er hingeplant hatte.
»Ich habe meinen Vertrag nicht gebrochen«, verkündete er.
KanPaar schnaubte. »Du hast etwas anderes gesagt, als du vor einem Jahr zu uns gekommen bist, Dritter.«
»Ich habe euch gesagt, was passiert ist«, wandte TenSoon ein und stand weiterhin aufrecht da. »Was ich gesagt habe, war keine Lüge. Ich habe Vin statt Zane geholfen. Auch wegen dem, was ich getan habe, lag mein Meister schließlich tot zu Vins Füßen. Aber ich habe meinen Vertrag nicht verletzt.«
»Willst du damit andeuten, Zane hätte gewollt, dass du seiner Feindin hilfst?«, fragte KanPaar.
»Nein«, erwiderte TenSoon. »Ich habe meinen Vertrag nicht
gebrochen, weil ich beschlossen habe, einen wichtigeren Vertrag einzuhalten. Den Ersten Vertrag!«
»Der Vater ist tot!«, fuhr ihn einer der Zweiten an. »Wie konntest du da noch seinem Vertrag mit uns dienen?«
»Er ist tot«, wiederholte TenSoon »Das stimmt. Aber der Erste Vertrag ist nicht mit ihm gestorben! Vin, die Erbin des Überlebenden, war diejenige, die den Obersten Herrscher getötet hat. Sie ist jetzt unsere Mutter. Unser Erster Vertrag bindet uns nun an sie!«
Er hatte erwartet, dass man ihm lautstark Blasphemie vorwarf und ihn deswegen verdammte. Doch alles, was er erhielt, war entsetztes Schweigen. KanPaar stand verblüfft hinter seinem steinernen Pult. Die Mitglieder der Ersten Generation waren stumm wie üblich und saßen in ihren verschatteten Nischen.
Nun, dachte TenSoon. Ich vermute, das heißt, dass ich fortfahren soll. »Ich musste der Frau Vin helfen«, sagte er. »Ich konnte nicht zulassen, dass Zane sie tötet, denn ich war ihr verpflichtet – seit dem Zeitpunkt, zu dem sie den Platz des Vaters eingenommen hatte.«
Schließlich fand KanPaar seine Stimme wieder. »Sie? Unsere Mutter? Sie hat den Obersten Herrscher umgebracht!«
»Und seinen Platz eingenommen«, sagte TenSoon. »In gewisser Hinsicht ist sie eine von uns.«
»Unsinn!«, meinte KanPaar. »Ich hatte Ausflüchte erwartet, TenSoon, vielleicht sogar Lügen. Aber diese Fantasiegebilde? Diese Blasphemien?«
»Bist du in letzter Zeit einmal draußen gewesen, KanPaar?«, fragte TenSoon. »Hast du unsere Heimat im letzten Jahrhundert überhaupt verlassen? Verstehst du, was da draußen vor sich geht? Der Vater ist tot. Das Land befindet sich in Aufruhr. Als ich vor einem Jahr in die Heimat zurückgekehrt bin, habe ich eine Veränderung im Nebel bemerkt. Er verhält sich nicht mehr so
wie früher. Und wir können nicht so weitermachen wie bisher. Die Zweite Generation mag es vielleicht noch nicht erkennen, aber Ruin ist da! Das Leben wird zu einem Ende kommen. Die Zeit, von der die Weltenbringer gesprochen haben – vielleicht die Zeit der Revolution –, sie ist da!«
»Du leidest unter Wahnvorstellungen, TenSoon. Du warst zu lange unter Menschen …«
»Sag ihnen doch, worum es hier in Wirklichkeit geht, KanPaar«, unterbrach TenSoon ihn mit erhobener Stimme. »Willst du denn nicht, dass meine wahre Sünde bekannt wird? Willst du nicht, dass die anderen sie hören?«
»Zwinge mich nicht dazu, TenSoon«, sagte KanPaar und deutete wieder auf ihn. »Was du getan hast, ist schon schlimm genug. Mach es nicht noch …«
»Ich habe es ihr gesagt«, schnitt TenSoon ihm das Wort ab. »Ich habe ihr unser Geheimnis verraten. Und am Ende hat sie mich benutzt. Wie die Allomanten in alter Zeit. Sie hat die Kontrolle über meinen Körper ausgeübt, hat den Makel ausgenutzt und mich zum Kampf gegen Zane eingesetzt. Das ist es, was ich getan habe. Ich habe uns alle verraten. Sie weiß es – und ich bin sicher, dass sie es weitererzählt hat. Bald werden sie alle wissen, wie sie uns kontrollieren können. Und wisst ihr, warum ich das getan habe? Ist es nicht der Sinn und Zweck dieses Tribunals, dass ich meine Beweggründe erläutere?«
Er redete weiter, obwohl KanPaar versuchte, ihn zu übertönen. »Ich habe es getan, weil sie das Recht hat, unser Geheimnis zu kennen!«, schrie TenSoon. »Sie ist die Mutter! Sie hat alles geerbt, was der Oberste Herrscher je besaß. Ohne sie haben wir nichts. Allein können wir keinen neuen Segen und auch keine neuen Kandras erschaffen! Das Pfand gehört jetzt
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