Herz auf Umwegen
handelt«, sagte Janny. »Das mag manchmal zu der einen oder anderen Überreaktion führen, aber es ist ehrlich.«
Katja schwieg verwirrt. Das dachte Janny über sie? Das klang – irgendwie nett. Besonders wenn sie bedachte, was sie Janny bis vor Kurzem noch alles an den Kopf geworfen hatte. Die Frau war scheinbar wirklich nicht nachtragend.
»Wie wäre es, wenn wir nach dem schlechten Start, den wir hatten, einfach noch mal von vorne anfangen?«, fragte Janny in Katjas Gedanken hinein. Und überraschte sie damit.
»Was? Wir hatten einen schlechten Start?«, witzelte Katja, ihre Verblüffung überspielend.
»Nein, nicht wenn du alle neuen Kolleginnen mit Blicken erdolchst«, ging Janny auf ihren Ton ein.
Katja gluckste. »Es scheint dir aber nichts ausgemacht zu haben.«
»Da täuschst du dich gewaltig. Ich habe dir nur nicht die Genugtuung gegönnt, mich weinen zu sehen«, erwiderte Janny.
Doch Katja ließ sich nicht aufs Glatteis führen. »Du? Weinen? Wegen mir? Das glaube ich erst, wenn ich´s sehe.« Sie kicherte. Als Janny nicht einstimmte, hielt sie inne. »Du meintest das doch nicht ernst, oder?«
»Nein«, murmelte Janny. »Natürlich nicht.« Nach einer kurzen Pause fragte sie. »Also, was ist jetzt? Alles auf Anfang?«
Katja zögerte. Und sagte sich, dass sie das eigentlich nicht sollte. Jannys Angebot bot ihr die Gelegenheit, alle Peinlichkeiten - und davon gab es in den letzten Wochen einige – auf einen Schlag für ungeschehen zu erklären. Dennoch. »Eigentlich finde ich, dass gerade der holprige Start unsere …« Sie hielt inne, suchte nach einer Formulierung, um das Wort Beziehung zu vermeiden, »… uns ausmacht«, beendete sie den Satz.
Janny schien nachzudenken. Jedenfalls schwieg sie.
Katja wartete, spürte, wie die Müdigkeit nach ihr griff. Sie unterdrückte ein Gähnen. »Das ‚uns‘ meinte ich rein abstrakt. Natürlich gibt es kein uns im Sinne von ‚uns‘«, brabbelte sie schläfrig. »Wir sind ja keine Freundinnen oder so.« Katjas Stimme wurde leiser. »Gerade mal keine Feindinnen mehr …« Sie seufzte, spürte, wie ihre Lider schwerer wurden. Schlaf fing sie sanft ein.
***
Katja schlug die Augen auf und sah die Baumkronen, die sich in den strahlend blauen Himmel reckten. Ein Seufzen entrang sich ihrer Brust.
Die letzten beiden Tage, sie waren kein Traum. Wie auch der harte Waldboden bewies, den sie in ihrem Rücken spürte. Katja schloss die Augen wieder. Sie fühlte sich müde und matt. Jannys gleichmäßige Atemzüge neben ihr waren das einzig Tröstliche.
Ohne sie würde ich hier draußen verrückt werden. Ich hätte die Nacht kein Auge zugetan.
Stattdessen war sie in Jannys Armen eingeschlafen. Kein Gedanke mehr, in welcher Lage sie sich befanden. Wie hatte Janny das angestellt? Die Antwort lautete: Ohne viel zu tun oder zu sagen, im Grunde nur durch Zuhören.
Katja öffnete seufzend die Augen und drehte sich zu Janny auf die Seite. Sie war jetzt Jannys Gesicht ganz nah. Regelmäßige Gesichtslinien, weicher Mund, etwas hervorstehende Wangenknochen. Das alles umrahmt von schimmernden, blonden Haaren. Katjas Hand bewegte sich langsam nach oben. Vorsichtig, ohne sie zu berühren, umzeichneten ihre Finger gedankenverloren Jannys Antlitz. Erst eine Bewegung Jannys brachte Katja ins Bewusstsein, was sie tat. Erschrocken zuckte sie zurück und brachte hastig etwas Abstand zwischen Janny und sich. Davon wachte Janny auf. Sie blinzelte Katja verschlafen an, flüsterte ein »Guten Morgen« und erkundigte sich: »Gut geschlafen?«
Katja lächelte verlegen. »Viel besser, als erwartet.«
»Wie fühlst du dich?«
Katjas Lächeln erstarb. »Erledigt.« Sie setzte sich auf.
Janny tat es ihr gleich. »Wir müssen trotzdem weiter.«
»Lass mich raten, das Frühstück fällt aus«, brummte Katja.
Janny stand auf. Sie reichte Katja die Hand. Katja nahm sie und Janny zog sie hoch. »Wir verschieben es auf später«, sagte sie dabei.
Katja schüttelte den Kopf. Jannys Optimismus schien unerschütterlich. Aber das war gut so, dachte Katja. Das gab ihr etwas zum Festhalten.
»Und wie du siehst, lässt uns die Sonne nicht im Stich«, stellte Janny aufgeräumt fest. Eine Spur zu aufgeräumt, aber auch das war Katja nur recht.
Erneut ging es durch lichtes Unterholz. Äste knackten unter ihren Füßen. Katja stolperte immer
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