Herz auf Umwegen
lächelte zurück. »Wie ein Stein.« Sie nahm eines der Brötchen, legte es auf ihren Teller, starrte darauf. Gestern Morgen noch hatte sie gezweifelt, je wieder ein ganz normales Frühstück zu sich zu nehmen. Der Spuk war nun vorbei – und irgendwie auch nicht. Katja fühlte sich wie jemand, der gerade noch einmal einer Katastrophe entkommen war. Erleichtert, aber den Schock tief in den Knochen.
Etwas Warmes strich über Katjas Hand und ließ sie zusammenzucken. »He, bist du okay?«, fragte Janny. Sie hatte ihre Hand auf Katjas gelegt.
Katja hob den Blick. »Kommt drauf an, was du mit okay meinst.« Sie zuckte ratlos mit den Schultern. »Soweit ist alles gut, aber ich fühle mich, als stände ich neben mir. Irgendwie zerrissen, verstehst du?«
»Das ist doch ganz normal. Schließlich passiert einem so eine Geschichte, wie wir sie erlebt haben, nicht jeden Tag. Das kann einen schon aus dem Gleichgewicht bringen.«
»Mit deinem Gleichgewicht scheint alles in Ordnung zu sein«, erwiderte Katja. Sie verzog die Mundwinkel. »Oder ist das wieder so eine „Was nützt es, sich hängen zu lassen-Sache“?« Jannys Schweigen nahm Katja als Bestätigung. »Bist du denn immer so beherrscht?«, entfuhr es ihr.
»Ich bin mit zwei Brüdern groß geworden, denen es eine Riesenfreude machte, die kleine Schwester zu ärgern. Da lernt man schnell, sich die Dinge nicht anmerken zu lassen.« Janny griente verschmitzt.
»Das erklärt allerdings einiges.« Katja schmunzelte, schnitt endlich das Brötchen auf ihrem Teller auf und griff zur Butter. Sie stellte sich vor, wie eine Zehnjährige mit kurzem blonden Schopf verzweifelt versuchte, ihren Schulrucksack von zwei langen Lulatschen zurückzuerobern, den diese unter Gelächter in der Luft einander zuwarfen. »So was härtet wohl ab. Ich bin ein Einzelkind. Und wie man sieht viel zu weich.«
»Entschuldigen Sie die Störung«, sagte da eine männliche Stimme.
Nicht nur Katja, auch Janny zuckte leicht zusammen. Sie hatten den Besucher nicht kommen gehört, der so plötzlich auf der Terrasse stand. Doch als sie Holger Baker erkannten, wich der Schreck.
»Darf ich mich setzen?«, fragte er.
»Bitte.« Janny zeigte auf den freien Stuhl am Tisch. »Kaffee?«, bot sie an. Der Beamte nickte und Janny holte rasch eine Tasse für den Besucher.
»Wie geht es Ihnen? Haben Sie die Strapazen der letzten Tage gut überstanden?«, erkundigte sich Baker.
»Einigermaßen«, übernahm Janny die Antwort.
»Das freut mich, zu hören. Ich bin vorbeigekommen, weil ich dachte, es interessiert Sie sicherlich, wie es weitergegangen ist mit den Nilssons.«
»Oh ja, das wäre wirklich interessant zu hören.«
»Nun also«, begann Baker. »Nachdem Ihre verletzte Freundin mir im Anschluss an ihre Operation erzählt hatte, dass Haakon der Einbrecher gewesen sein musste, der Sie, Frau Winter, niedergeschlagen hatte, und es dabei wohl um eine Speicherkarte ging, die er unbedingt haben wollte, schickte ich zunächst einmal die Spurensuche und Suchhunde zu Ihrem Haus. Die Techniker fanden Reifen und Fußabdrücke, die zu der Geschichte Ihrer Freundin passten. Leider verloren die Hunde schnell die Spur.«
»Was auch nicht anders sein konnte, weil Haakon uns ja mit dem Auto weggebracht hat«, warf Janny ein.
Baker nickte zustimmend. »Das vermuteten wir auch. Deshalb fuhren wir zu Haakons Lachszuchtanlage und ließen die Hunde dort suchen, aber vergebens«, berichtete er weiter. »Ich wartete gerade auf den Durchsuchungsbeschluss für das Haus der Nilssons, als Frau Nilsson bei uns auf dem Revier anrief und aufgeregt erzählte, dass ihr Mann zwei Frauen verschleppt hätte. Er sei kaum wiederzuerkennen, nicht zurechnungsfähig, und sie hätte Angst vor ihm. Deshalb habe sie sich nicht getraut, uns eher anzurufen. Sie musste warten, bis er eingeschlafen war. Was nun, Gott sei Dank, der Fall war, nachdem er die ganze Nacht und den halben Tag lang durchs Haus getigert war, sie dabei mit Argusaugen beobachtet und fast eine Flasche Wodka getrunken habe.«
»Ehrlich gesagt, kann ich Ankes Furcht verstehen.« Automatisch befühlte Katja die Stelle an ihrer Stirn, an der Haakon sie mit dem Gewehr geschlagen hatte. »Haakon lief ja völlig Amok.«
Baker nickte erneut. »Und er ist wegen Körperverletzung einschlägig vorbestraft. Gegen wen sich die Gewalt von so einem richtet, kann man nie vorhersagen. Aber
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