Herz aus Eis
Konsequenzen des Unfalls denken. „Man kann sich sportlich betätigen, ohne sich dabei den Hals zu brechen.“ Sie hatte einen Job zu erledigen, und den würde sie erledigen. „Ich will noch die Kissen aufschütteln“, meinte sie knapp.
Sie glaubte, ihn ausreichend vorgewarnt zu haben. Doch als sie sich vorbeugte, hob er den Arm. Seine Finger verfingen sich in ihrem Haar.
Hastig trat sie einen Schritt zurück. Natürlich wusste sie von seinem Ruf als Playboy. Sie hätte nur nicht erwartet, dass er es tatsächlich bei ihr versuchen würde. „In Zukunft werde ich Sie bitten, zur Seite zu rutschen, bevor ich Ihr Bettzeug richte.“
„Es war doch nur Ihr Haar“, meinte er leise. „Ich wollte es von meinem Gesicht schieben. Sie müssen sehr langes Haar haben.“
„Ab morgen werde ich es zu einem Knoten binden.“ Siewollte sich nicht auf dieses persönliche Gespräch einlassen. Ihr war so schon unwohl genug, wieder in Griechenland zu sein. Ihr Exehemann war ebenfalls ein griechischer Playboy gewesen. Zwei Jahre hatte er ihr das Leben zur Hölle gemacht, bevor die Scheidung rechtskräftig wurde. Sieben Jahre hatte es sie gekostet, bevor sie sich von der Erfahrung erholt hatte. Ihr Mann hatte ihr das Herz gebrochen. Diesem Griechen hier würde sie nicht erlauben, ihre Beherrschung zu verlieren.
Sie richtete sich auf. „Wenn dann nichts weiter mehr anliegt, Mr. Koumantaros, wünsche ich Ihnen eine gute Nacht.“
Und damit verließ sie den Raum, bevor er noch etwas sagen konnte.
Ihre Selbstbeherrschung hielt, bis sie vor der Tür stand.
Mit einer Hand stützte sie sich an der Wand im Korridor ab und stieß ein ersticktes Stöhnen aus. Sie verabscheute verwöhnte Griechen, die zu viel Geld hatten und nichts mit ihrer Zeit anzufangen wussten. Nach der Scheidung hatte sie sich geschworen, nie wieder in dieses Land zu kommen. Jetzt war sie nicht nur in Griechenland zurück, sie saß auch fest in einem mittelalterlichen Kloster auf einem Berg, zusammen mit Kristian Koumantaros, einem Mann so reich und mächtig, dass ein arabischer Scheich ärmlich neben ihm wirkte.
Sie atmete tief durch und schüttelte leicht den Kopf. Was sollte das? Sie hatte hier das Sagen. Und morgen würde sie Kristian Koumantaros das klarmachen. Ja, sie würde ihren Job erledigen. Sie würde es schaffen. Eine Episode wie die eben wird sich nicht wiederholen, sagte sie sich immer wieder auf dem Weg zu dem Zimmer, das die Haushälterin ihr zugewiesen hatte.
Es war ein heißer Tag gewesen, das Zimmer mit der hohen Decke hatte die Hitze gespeichert. Elizabeth ging zum Fenster, um die frische Nachtbrise einzulassen. Die drei großen Bogenfenster zeigten auf den Garten hinaus, der jetzt im silbernen Mondlicht dalag. Man konnte bis ins Tal hinuntersehen. Es war unglaublich schön hier, mit dem alten Kloster,das sich in die Felsen einfügte, umstanden von mächtigen alten Kastanienbäumen. Doch es war auch gefährlich. Kristian Koumantaros war daran gewöhnt, seine Umgebung zu dominieren. Und sie brauchte seine Mitarbeit, sonst könnte er dem Ruf ihres Geschäfts erheblichen Schaden zufügen.
Vor dem antiken Spiegeltisch drehte Elizabeth ihr Haar zu einem Zopf und steckte ihn sich mit einem Kamm auf dem Kopf fest.
Mit leerem Blick starrte sie auf ihr Konterfei. Helle Augen blickten ihr aus einem ovalen Gesicht mit feinen Zügen und einem erstaunlich entschlossenen Kinn entgegen. Unwillkürlich zog sie eine Grimasse. Damals, als sie mehr aus sich gemacht hatte, als sie noch dieses luxuriöse Leben gelebt hatte, da war ihr Haar heller gewesen, seidiger, hübscher. Aber die Strähnchen der Londoner und New Yorker Hairstylisten waren längst ausgewaschen. Sie besaß kein einziges Designerkleid mehr, auch wohnte sie nicht mehr in Luxuswohnungen. Das Leben, das sie einst gekannt und mit der gleichen Selbstverständlichkeit hingenommen hatte wie ihren Namen, existierte nicht mehr.
Das war vorbei.
Längst vorbei und vergessen.
Nein, vergessen war es nicht. Sie konnte es erkennen an dem kurzen Aufflackern ihrer Augen.
Die Medizin hatte ihr einen Ausweg geboten. Sie offerierte ihr einen abgesicherten Lebensstil, eine geregelte Routine und ein befriedigendes Maß an Kontrolle. Die Kombination von Medizin und Geschäft war ein gut abzuschätzender Faktor. Ein Faktor, der sich handhaben ließ.
Bei Kristian Koumantaros blieb ihr nur die Hoffnung, dass er sich morgen handhaben ließ.
Elizabeth wachte früh auf, um den neuen Arbeitstag energiegeladen
Weitere Kostenlose Bücher