Herz aus Eis
billiger Wein schmeckt mir besser als der teure.“
„Also hat es nichts mit Geld zu tun?“
„Viel zu viele Menschen machen ihre Vorlieben an Etiketten und Namen fest. Dabei wollen sie nur die anderen mit ihrem Geld oder ihrem Wissen beeindrucken.“
„Reden wir hier immer noch über Wein?“
„Etwa nicht?“ Er hielt das Gesicht ihr zugewandt, so als wolle er sie mustern, studieren, einschätzen.
Elizabeth kaute an ihrer Unterlippe. Sie konnte gut verstehen, dass eine junge Frau wie Calista sich magisch von Kristian angezogen fühlte. Aber ein Erpressungsversuch? Absurd. Selbst mit gebrochenen Knochen im Leib und Narben im Gesicht … dieser Mann war viel zu stark, zu überwältigend. Calista war eine Närrin.
Tatsächlich begann Elizabeth zu kichern. Und je mehr sie über Calistas vermessene Dummheit nachdachte, desto stärker wurde der Drang zu lachen, bis sie schließlich laut herausplatzte.
„Was hat sie sich nur dabei gedacht?“, prustete sie. „Wie kann jemand wie Calista sich einbilden, sie könnte Sie erpressen?“
Kristian saß ihr gegenüber und lauschte ihrem Lachen. Wie lange war es her, dass er jemanden offen und herzhaft hatte lachen hören? Innerhalb eines einzigen Tages hatte Elizabeth ihm klargemacht, was er alles verpasste. Er hatte ja nicht einmal gemerkt, wie sehr er sich aus Wut und Verbitterung vom Leben abschottete. Bis sie gekommen war und auf alle möglichen Veränderungen bestanden hatte.
Zuerst war ihm ihre herrische Art zuwider gewesen, aber es funktionierte. Er hatte erkannt, dass er niemanden brauchte,der ihn herumkommandierte. Er konnte sich selbst motivieren.
Auch wenn er Cosimas Beweggründen noch immer misstraute, musste er ihr eigentlich dankbar sein für ihre Einmischung. Cosima hatte ihm Elizabeth geschickt. Und wie sich nun herausstellte, war Elizabeth die richtige Person zur richtigen Zeit.
Er hatte jemanden wie Elizabeth gebraucht.
Brauchte er etwa sie ganz speziell?
Feingefühl und Empfindsamkeit waren sicherlich nicht seine hervorstechendsten Eigenschaften. Was nicht hieß, dass er keine Gefühle hatte. Er konnte sie nur nicht gut ausdrücken. Er war gerne in diesem Zimmer, und er genoss das Dinner. Auch wenn er nicht sehen konnte, so erfreute er sich doch an den Details, für die Pano und Atta, die Haushälterin, gesorgt hatten. Die Kerzen, zum Beispiel … sie verströmten einen leichten Duft nach Vanille. Er wusste auch, dass sie das Töpfergeschirr herausgeholt hatten, das er so gern mochte. Und er konnte fühlen, dass das Tischtuch jenes handgewebte war, das ihm in einem kleinen Kunstladen auf Santorin sofort aufgefallen war.
Trotz seines Reichtums zog Kristian die einfachen Dinge des Lebens vor. Er schätzte das Handwerk des ansässigen Kunstgewerbes und unterstützte die Künstler, wann immer er konnte.
„Sie sind still geworden“, bemerkte Elizabeth, als Atta den Tisch abräumte.
„Ich bin einfach nur entspannt.“ Das war er wirklich. Und es war ewig lange her, seit er sich so gut gefühlt hatte. Er hatte vergessen, wie angenehm eine gemeinsame Mahlzeit sein konnte, hatte vergessen, dass Essen immer besser schmeckte, wenn ein gutes Gespräch, ein guter Wein und Lachen dazugehörten.
„Das freut mich.“
Die ehrliche Wärme in ihrer Stimme ging ihm durch und durch. Ihre Stimme hatte ihm von Anfang an gefallen, selbstals sie noch darauf bestanden hatte, ihn Mr. Koumantaros zu nennen.
Ihren Duft mochte er auch sehr. Genau bestimmen, wonach sie roch, konnte er noch immer nicht. Aber er wusste, wie die anderen Schwestern gerochen hatten – nach Desinfektionsmitteln, Pfefferminz und Tabak. Wobei die mit Rosenduft parfümierte Handcreme ihn am meisten abgestoßen hatte.
Elizabeth hatte auch einen anderen Gang als diese Schlachtschiffe. Leicht, dabei energisch und selbstsicher. Er lächelte, als er sich vorstellte, wie sie in London durch die Straßen lief. Denn dort lebte sie schließlich.
Das Lächeln schwand. Er wünschte, er könnte sie sehen. Plötzlich fragte er sich, ob sie sich wohl langweilte. Vielleicht wollte sie nur in ihr Zimmer zurück. Den Kaffee nach dem Essen hatte sie abgelehnt.
Je länger das Schweigen andauerte, desto mehr wuchs Kristians Anspannung. Er hörte, wie ihr Stuhl leicht über den Boden scharrte, wie Elizabeth die Leinenserviette auf den Tisch legte. Sie ging.
Er biss die Zähne zusammen und stellte sich auf die Füße. Das war das zweite Mal heute, und es kostete ihn enorme Anstrengung. Aber sie ging, und
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