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Herz aus Glas (German Edition)

Herz aus Glas (German Edition)

Titel: Herz aus Glas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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dass du sterblich bist.
    Ein sonderbarer Name für ein Strandbild.
    »Gefallen sie dir?«
    David hatte die ganze Zeit so ruhig dagestanden, dass ich ihn fast vergessen hatte. Jetzt drehte ich mich zu ihm um.
    »Ich weiß nicht so genau«, gab ich zu.
    Sein linker Mundwinkel hob sich zu einem Lächeln und ich stellte wieder fest, wie attraktiv er damit aussah. Vielleicht würde dieser Abend ja doch noch ganz passabel werden!
    Er kam ein Stückchen näher. »Ja, diese Wirkung haben sie auf viele Menschen.« Sein Blick ruhte auf dem Treibholz-Bild. Auch er hatte sich für die Party zurechtgemacht. Seine Haare waren vom Duschen noch ein wenig nass und das Duschgel, das er benutzt hatte, roch gleichzeitig frisch und herb.
    Ich hatte Mühe, mich wieder auf das Gemälde zu konzentrieren. »Woher kommt das?«, fragte ich. Meine Blicke tasteten das Motiv ab. Ich fand nichts Ungewöhnliches oder Gruseliges daran. Nur ein Stück Holz und ein paar Muscheln. Eine kleine Krabbe entdeckte ich bei genauerem Hinsehen noch. Und trotzdem … Irgendwie erleichterte es mich, dass David gesagt hatte, auch anderen Betrachtern ginge es wie mir.
    Er legte den Kopf schief. »Du musst es so machen und die Augen leicht zusammenkneifen, dann siehst du es.«
    Ich kam mir ziemlich albern vor, aber ich tat, was er mir geraten hatte. Im nächsten Moment zuckte ich zusammen und hätte fast einen Satz rückwärts gemacht. »Himmel!« Auf diese Weise betrachtet, mit schief gelegtem Kopf und unscharf gestelltem Blick, starrte mich aus der Leinwand heraus ein grinsender Totenschädel an. Die beiden Muscheln bildeten die Augenhöhlen, das Treibholz die Zahnreihen. Nur die Krabbe war nichts weiter als eine Krabbe. Sie saß auf dem Unterkiefer des Schädels und schien Algen von dem bleichen Knochen abzunagen.
    »Kein Wunder, dass niemand sie kaufen will!«, entfuhr es mir.
    David streckte die Hand aus, als wollte er die eine Muschel auf dem Gemälde berühren. Ganz dicht davor hielt er inne. Ich sah, dass seine Hand zitterte, und biss mir auf die Lippe. »Sie sind ziemlich gut gemalt, findest du nicht?«, fragte er.
    Ich folgte seinem ausgestreckten Arm mit dem Blick. Die Muschel war perfekt gelungen. Man konnte meinen, das hauchdünne cremeweiße Kalkgehäuse wäre auf die Leinwand geklebt. Und dann kippte die Wahrnehmung, die gewölbte Oberfläche beulte sich nach hinten und wurde zu der Augenhöhle des Schädels. »Ich weiß nicht«, antwortete ich. »Ich finde sie einfach nur gruselig!«
    David reagierte nicht darauf, sondern starrte das surrealistische Motiv schweigend an. Sein Adamsapfel hob sich, als er schwer schluckte. Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, sagte er: »Ja. Ich auch.« Und endlich riss er sich von dem Anblick los und wandte sich mir zu. »Willst du was trinken? Henry hat eine gute Hausbar!«
    Ich schüttelte den Kopf. Die Tatsache, dass ich innerhalb der nächsten Stunde auf einer amerikanischen Poolparty eintrudeln würde, erfüllte mich mit Unruhe. Zwar hatte Taylor mir einen ihrer Badeanzüge geliehen, denn natürlich hatte ich meinen eigenen nicht eingepackt. Wer denkt als normaler Mensch auch schon daran, dass es auf einer Insel wie Martha’s Vineyard nicht nur das Meer zum Baden gibt, sondern wahrscheinlich mehr beheizte Indoorpools als in ganz Boston? Taylors Badeanzug war ein teuer aussehendes Teil, das mir wahrscheinlich sogar ziemlich gut stehen würde. Trotzdem war ich nervös. Ich war kein Partygirl – vor allem nicht dann, wenn ich die meisten Leute nicht kannte. Und genau genommen traf das auf jeden Einzelnen zu, mit dem ich diesen Abend verbringen würde. David und Henry eingeschlossen.
    David besonders.
    Ich warf ihm einen Seitenblick zu. Er hatte nach dem Duschen wieder einen schwarzen Rollkragenpullover angezogen. Ich musste eingestehen, dass ihm diese Farbe am besten stand, auch wenn sie die Schatten unter seinen Augen dunkler wirken ließ. Sie gab seiner Gestalt etwas Theatralisches, das mir plötzlich überaus anziehend vorkam.
    »Was denkst du?«, fragte er unvermittelt.
    Ich zuckte zusammen. »Was? Ich …«
    »Du schaust mich an, als würdest du über irgendwas Weltbewegendes nachdenken.«
    Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass ich ihn angestarrt hatte. »Entschuldige, ich …«
    Verdammt!
    »Was hast du eben gedacht?« Sein Blick traf meinen und es fühlte sich genauso an wie bei unserem ersten Zusammentreffen gestern auf den Stufen von Sorrow . Ich kam mir durchschaubar vor, durchsichtig. Wie aus

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