Herz des Winters (German Edition)
zu einem weiteren Tor, das von ihrem jetzigen Standpunkt aus die Größe eines Mauslochs zu haben schien.
Ihre Schritte klackten auf dem kalten Marmor, doch die Tonnen an Papier verschluckten jedes Echo bereits im Ansatz. Sie hörte das Flüstern von Buchseiten, die umgeblättert wurden. Auch das leise Zischen der magischen Lampen, die vereinzelt durch jene Gänge schwebten, in die das Sonnenlicht nicht hinreichte, das durch die Butzenfenster eindrang und von unzähligen Staubpartikeln durchtanzt wurde.
Gedämpfte Stimmen wurden laut, als sie sich dem Tor näherten. Hinter diesem wurde jetzt ein offener Saal sichtbar, in dem gepolsterte Sitzgelegenheiten und Pulte in Gruppen beisammenstanden. Erhaben wirkende Magier in edlen Roben bevölkerten das Mobiliar und führten gewichtig erscheinende Unterhaltungen, die bei Berekhs und Daenas Ankunft im Saal nach und nach verstummten.
Einmal mehr fanden sie sich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, doch diesmal fiel ein guter Teil davon Daena zu. Das wunderte sie nicht besonders, dennoch wäre sie am liebsten im Boden versunken. Nicht nur, dass an ihr eindeutig nichts Magisches war und sie daher hier nichts zu suchen hatte, auch ihr Erscheinungsbild unterschied sich deutlich von dem der übrigen Anwesenden.
Abgesehen von der erlesenen Kleidung, die von den Magiern ausnahmslos getragen wurde und die ihr angesichts ihrer eigenen Reisegewandung Sorge bereitet hatte, waren ihre Gestalten schlichtweg ehrfurchtgebietend. Groß gewachsene Personen bildeten die Mehrheit, sie alle trugen attraktive und ernste Gesichtszüge und kein einziger war durch irgendwelche Male oder Narben verunstaltet.
Ihr Anblick rief Daena schmerzlich ihr eigenes Äußeres in Erinnerung. Ihrer Empfindung zum Trotz straffte sie jedoch die Schultern und streifte ungefühlten Stolz wie eine Maske über. Letzten Endes war dies doch nur ein Schlachtfeld der etwas andern Art, und zu kämpfen war ihr Beruf.
Schließlich trat ein bärtiger Zauberer auf sie zu, dessen weißes Haar auf ein Alter schließen ließ, das sich nicht in seinem Gesicht bestätigt fand. Andererseits hatte Kraja bewiesen, dass Alter und Aussehen wohl nicht allzu sehr voneinander beeinflusst waren in einem Magierleben, das Jahrhunderte überspannen konnte. Der Arkane musterte Daena noch einmal missbilligend, dann wandte er sich nicht minder ärgerlich an Berekh.
„Es hieß, du hättest dich bei der Schlacht um Dranpol zugrunde gerichtet, In‘Jaat.“
Dieser Name sagte Daena nichts, aber hatte sich nie besonders für geographische Geschichte begeistern können.
Berekh bleckte seine Zähne, was ihn wieder ein wenig seinem knochigen Schädelego ähneln ließ.
„Ich hätte es ein wenig anders formuliert, aber im Wesentlichen entspricht das den Tatsachen, ja.“
„Und was hast du dir dann zum Anlass genommen, um von den Toten aufzuerstehen und unsere ehrwürdigen Hallen mit deiner erneuten Anwesenheit zu besudeln?“
Jemand unter den anderen Anwesenden stieß ein unterdrücktes Lachen aus, doch Berekh ließ die Beleidigung unbeeindruckt von sich abprallen. Daena fand es äußerst interessant, wie er gegenüber den Magiern jeglichen Respekt vermissen ließ, ohne dabei unhöflich zu werden, während seine Unterhaltung mit dem Torwächter derart achtungsvoll abgelaufen war.
Dann jedoch erinnerte sie sich an das Gefühl, das Yiryats Blick in ihr hervorgerufen hatte, und erkannte, dass die Magier dem Tatzelwurm an Würde und Weisheit bei allen Büchern und all dem magischen Tand, den sie um sich scharten, bei weitem nicht das Wasser reichen konnten. Sie waren mächtig, aber doch gewöhnlich im Vergleich zu den wahren mythischen Wesen.
Sie warf einen weiteren, diesmal weniger oberflächlichen Blick in die Runde und sah, dass ausschließlich Menschen und keines der anderen humanoiden Völker der Arkangilde angehörten. Eine weitere Frage, die sie Berekh stellen musste, sobald sich die Gelegenheit dazu ergab.
Der hatte sich mittlerweile weiter zur Raummitte hin begeben, sodass nun keiner der Anwesenden mehr dem stechenden Blick seiner grünen Augen entgehen konnte.
„Der Anlass“, antwortete er mit einer Stimme wie Donnergrollen, „ist der Krieg, der das Land unter euren Füßen verwüstet. Ich nehme an, die Gilde der Arkanen ist über diese Unannehmlichkeit im Bilde?“
Eine Rothaarige zu ihrer Linken meldete sich scharf zu Wort. „Die Gilde mischt sich nicht in die Angelegenheiten der Menschen ein. Du unter allen solltest das am
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