Herz des Winters (German Edition)
bemühte sie sich, ihn aus der schmerzlichen Umklammerung der Erinnerungen zu befreien.
„Man kann seine Vergangenheit nicht hinter sich zurücklassen, Daena. Sie ist in uns, prägt uns. Das hier ist kein neues Leben, nur ein weiterer Abschnitt des alten.“
Sie wollte widersprechen, doch angesichts der Tatsache, dass jeder nur den Menschen in ihm sah, der er einmal gewesen war, verwunderte es nicht, dass er selbst nicht anders empfand. War es seltsam, dass sie in ihm immer noch den Schädel erkannte, der sie bissig, hämisch und doch immer als guter Freund begleitet hatte?
Ehe sie den Gedanken weiterspinnen konnte, wurde heftiger als nötig an die Tür geklopft. Daena hob eine Augenbraue. Es war zwar noch nicht zu spät, um jemanden zu empfangen, doch eindeutig keine Uhrzeit mehr zu der es höflich war, ungefragt einen Besuch abzustatten.
Berekh dagegen schien nicht überrascht. „Scheinbar empfinden sie unsere Bleibe als zu teuer“, bemerkte er mit einem Anflug seiner gewohnten Häme.
Ohne auf eine Aufforderung zu warten, riss der Klopfende die Tür auf und erschien als schlaksiger Halbwüchsiger mit Pickeln im Gesicht und kreuz und quer abstehendem Haar auf der anderen Seite der Schwelle. Nur die Robe, die er trug, deutete darauf hin, dass er den Magiern angehörte, wie jeder andere in dieser Stadt. Nun ja, jeder außer Daena.
„Der Rat der Arkanen lässt ausrichten ...“ Weiter kam der Junge nicht, da er völlig außer Atem war und einige Zeit erbärmlich vor sich hin japste, ehe er fortfahren konnte. „Der Rat lässt ausrichten, dass eine Entscheidung getroffen wurde und der Herr in der Bibliothek erwartet wird. Und natürlich auch die Dame“, fügte er rasch hinzu, als die Dame zu einer sehr undamenhaften Bemerkung ansetzte.
Berekh nickte ihm zu. „Wir kommen gleich. Du darfst in der Gaststube auf uns warten.“
Kurz zappelte der Junge von einem Bein auf das andere. Offensichtlich war ihm aufgetragen worden, sogleich zurückzukehren. Andererseits machten Daenas nackte Füße klar, dass sie nicht ausgehfertig war, und die Entscheidung, ob er in einem Zimmer mit dem Schlächter und einer unbekannten Kämpferin warten sollte oder in einer Gaststube, die gemütlich, vor allem aber sicherlich voll mit anderen Menschen war, fiel wohl nicht schwer.
Sobald der Junge verschwunden und die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, ließ sich Berekh wieder auf seinen Stuhl sinken und platzierte die Beine auf den Tisch. Sonderlich eilig schien er es nicht zu haben, der Einladung der Gilde zu folgen. Also nahm sich Daena ebenfalls Zeit, als sie ihre Kleider im Bad aufsammelte. Wehmütig starrte sie in die Wanne.
„Wir kommen wieder, keine Sorge“, kam die amüsierte Meldung aus dem Hauptraum. „Und dann bin ich mit baden dran!“
Sie ließ ein halbherziges Knurren hören und begann, sich fertig anzukleiden. Begonnen mit den Dolchen, die sie unter dem Gewand mit Ledergurten befestigt trug.
„Kann ich dich etwas fragen?“
„Ob du mit in die Wanne darfst?“
Diesmal war das Knurren lauter. „Nein.“
„Schade. Hättest du aber ohnehin nicht dürfen.“
Kurz war sie versucht, den Dolch, den sie gerade in der Hand hielt, auf seine Eignung als Wurfwaffe zu prüfen, steckte ihn dann aber doch lieber wieder ein. Berekhs Schädel war vermutlich härter als ihr Stahl, und einmal verbogene Dolche wieder gerade zu bekommen war nahezu ein Ding der Unmöglichkeit.
„War das ein Lehrling?“, fragte sie stattdessen.
„Natürlich, was sonst?“
„Ich habe mich nur gefragt, warum er … Naja ...“, ausformuliert klang der Gedanke dumm. Jeder in dem Alter war davon geplagt. Sie selbst war davon nicht gerade verschont geblieben. Aber es nagte dennoch an ihr. „Warum hat er so viele Pickel?“
So, jetzt war es raus.
„Er ist in der Pubertät, was erwartest du?“
„Ja schon, aber jeder andere in dieser Stadt ist so ... perfekt.“ Im Gegensatz zu ihr. Was sie niemals laut sagen würde, doch der Vergleich zwischen den Magiern – und natürlich den Nekromanten – und ihrem eigenen Körperbau war zu offensichtlich, um daraus ein Geheimnis machen zu können.
Aus dem Hauptraum dröhnte schallendes Gelächter herüber.
„Du solltest nicht alles glauben, das du sehen kannst. Und oft genug nicht einmal, was du berühren kannst.“
Illusionen? Natürlich, wenn man darüber nachdachte, war es ja logisch. Aber trotzdem … Verdammt.
„Tust du mir einen Gefallen?“, fragte sie, als sie den Schwertgurt
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