Herz des Winters (German Edition)
der Männer, noch ehe Daena ihre eigene Verwunderung überwunden hatte. „Wie ist das möglich? Wir sind doch mindestens fünfzehn Meter tief im Berg!“
„Und ich sehe keine Fenster“, fügte ein zweiter hinzu.
Die gigantische Höhle war von Licht durchflutet, sodass das Gefühl der Beklemmung und des Erdrücktwerdens von ihnen fiel, noch ehe die meisten dessen überhaupt gewahr wurden. Die Luft war nicht stickig oder modrig, sondern kühl und frisch und beschwor das Bild eines klaren Gebirgsbaches herauf.
Vor allem aber tummelten sich Wesen aller Arten hier. Nicht wenige davon waren Menschen oder zumindest großteils humanoid, und auch hier war die Entschlossenheit und Erleichterung allgegenwärtig, die sie bereits in den äußeren Dörfern zu spüren bekommen hatten.
Merkwürdigerweise schien es bei ihrer Gruppe geradezu umgekehrt zu sein. Jetzt, wo sie angekommen waren, standen sie antriebslos herum, wussten nicht, wohin sie gehen oder sich wenden sollten.
Allmählich bemerkte Daena, dass sich die Aufmerksamkeit der Truppe immer mehr auf sie richtete.
Nein, nicht auf mich , erkannte sie. Auf Berekh.
Langsam löste dieser seinen Griff, und obwohl das Kribbeln in ihren Fingern verriet, dass er zu fest zugepackt hatte und sie morgen mit einem gründlichen Bluterguss rechnen konnte, bedauerte sie die Trennung.
„Was nun, Zauberer?“ Sikaîl machte keinen Hehl daraus, wie sehr es ihm widerstrebte, gerade Berekh um Anweisungen zu fragen. Aber der Kämpfer in ihm wusste, dass man Erfahrungen immer wertschätzen sollte, und hier und jetzt war es nun einmal Berekh, der die Umgebung und ihre Gastgeber kannte. Die Antwort, die erhielt, war mit Sicherheit nicht, was er erwartet oder gewünscht hatte.
„Wir warten.“ Um seine Aussage zu unterstreichen, verschränkte Berekh die Arme vor der Brust und lehnte seinen Rücken an die Felswand.
Da Sikaîl die Truppe gerade unleugbar unter den Befehl des Zauberers gestellt hatte und dieser keinerlei Anstalten machte, sich vom Fleck zu bewegen, begannen die Männer nach und nach seinem Beispiel zu folgen und es sich auf dem Boden und an den Wänden bequem zu machen. Nur Sikaîl verharrte in seiner Position, eine Hand so nahe am Schwertknauf platziert, wie es möglich war, ohne eine offene Drohung auszudrücken.
***
Die Zeit verstrich, Schnee und Eis schmolzen von ihren Mänteln und Stiefeln, aber niemand schien Notiz von ihnen zu nehmen. Daena schälte sich aus mehreren, hier drinnen überflüssigen Kleiderschichten. Ihre Schwäche war verschwunden, doch allmählich machte sich Frust bemerkbar, und nicht nur bei ihr. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Männer zu murren anfingen.
Ärgerlich musterte sie Berekh, der völlig entspannt dastand und die Augen geschlossen hielt. Sie dachte schon er würde dösen, da hob er kaum merklich einen Finger seiner im Schoß gefalteten Hände. In ihrer Verwirrung benötigte Daena einige Sekunden, ehe sie begriff und in die Richtung sah, in die er deutete.
Es war nur ein Schatten, klein und so geschwind, dass sie ihn beinahe versäumt hätte. Einmal darauf aufmerksam geworden, sah sie die Schatten jedoch ringsherum. Sie huschten zwischen den Passanten, steinernen Säulen und hölzernen Tischen und Läden umher, schienen niemals stillzustehen und überall zugleich zu sein, obwohl oft lange Pausen zwischen ihrem Auftauchen lagen. Daena hatte nicht den geringsten Zweifel, dass in dieser Zeit wachsame Augen ihre Gruppe gründlich inspizierten.
Als sich einer der Schatten schließlich auf sie zu bewegte und ins Licht trat, entfuhr ihr ein verblüfftes Lachen. Dadurch wurde die Aufmerksamkeit der Männer ebenfalls auf das Wesen gelenkt, das vor sie hingetreten war, und ihre Reaktion fiel nicht minder überrascht aus.
Klein und pelzig, das waren die Zlaiku wirklich. Sie sahen aus wie die Friedfertigkeit in Person.
Daena fühlte das Lächeln auf ihren Lippen und die Trauer in ihrem Herzen, ohne auch nur eines der beiden verhindern zu können. Zu sehr erinnerte sie der Zlaiku an den kleinen Teddybären, den ihre Mutter ihr vor so vielen Jahren gestrickt hatte. In einem anderen Leben, bevor die Geschwüre sie von innen heraus zerfraßen und Daena zur Akademie geschickt wurde, um ein hungriges Kind weniger durchbringen zu müssen. Es war eine glückliche, wenn auch viel zu kurze Kindheit gewesen.
Und hier stand nun ein leibhaftiger Teddybär in Form ihres Gastgebers, machte eine putzige Verbeugung und erklärte mit gewichtigem
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