Herz des Winters (German Edition)
ein Geschäft, schon vergessen?“
Nein. Wie hätte er das auch nur einen Moment lang vergessen können, wo es doch jeden Gedanken überschattete. Er versuchte, auszuweichen. „Dafür kommst du den weiten Weg in die Einöde?“
Die Nekromantin verzog ihr Gesicht. „Er wäre weniger weit gewesen, hättest du gesagt, wohin es dich verschlägt. Wie man hört, ist schon alle Welt hierher unterwegs. Außerdem“, verfiel sie wieder in ihren gurrenden Tonfall „dachte ich, wir könnten alte Erinnerungen auffrischen.“ Ihre Hand fuhr an seiner Brust herab und wäre unter der Decke verschwunden, hätte er sie nicht am Handgelenk festgehalten.
Krajas Augen blitzten auf, doch noch ehe Berekh sich erklären musste, klopfte es an der Tür. Ein triumphierendes Lächeln erschien auf ihren Lippen, als sie aus dem Bett schlüpfte. Bevor er es verhindern konnte, hatte sie die Tür aufgerissen und trat in der vollen Pracht ihres beinahe durchsichtigen, schattenschwarzen Nachthemdes auf den Gang, auf dem sich bereits ein Großteil der Gruppe tummelte.
Berekh sah das herabwürdigende Tätscheln, mit dem Kraja Daenas Schulter bedachte, sah sich selbst mit den Augen der anderen – auf einem zerwühlten Bett liegend, auf die Ellbogen gestützt und bis zur zugedeckten Taille nackt. Er sah Daenas aschfahles Gesicht, als sie eins und eins zusammenzählte und zum falschen Schluss kam, und in diesem Moment fühlte er die Entscheidung wie einen Stein, der nach langem Irren endlich an den richtigen Platz rutschte und einrastete.
Egal, wie dieser Krieg ausging, egal was sonst noch davor oder danach geschah – er würde die Nekromantin töten.
11
Sie hatte kein Recht, wütend zu sein. Das wusste sie.
Berekh hatte nie anders als im Scherz um sie geworben, hatte keinen Hehl daraus gemacht, welches Ende diese Reise nehmen würde oder welche Vergangenheit ihn mit der Schwarzmagierin verband. Daena war auch nur allzu bewusst, dass sie ihr weder an körperlichen Reizen noch an Macht oder Auftreten das Wasser reichen konnte. Und noch vor wenigen Tagen hatte sie selbst gerade das für gut befunden, wenn sie die restlichen Umstände mit in Betracht zog.
Nur änderte das nichts daran, dass Schmerz und Zorn in ihr um die Wette brannten.
Sie verkroch sich beim Frühstück, zu dem sich Zlaiku und Flüchtlinge gleichermaßen in einer der großen Höhlen einfanden, in den hintersten Winkel. Was sie in die zweifelhafte Gesellschaft eines hyperaktiven Wichtels brachte, der ihr bis zum Knie reichte, dafür aber nach seiner eigenen Portion auch noch ihre verschlang, die beinahe unangetastet geblieben war, und eines Steingeistes, der bedächtig einen Kiesel nach dem anderen zwischen seine mahlenden Kiefer steckte.
Das danach anstehende Training half ein wenig. Sie sah Berekh nach draußen verschwinden, vermutlich um mit den Arkanen die neuen Erkenntnisse zu besprechen und mehr über den Hersteller der Amulette und ihre mythischen Verbündeten zu erfahren, während sie selbst und Sikaîl die willigen Männer und Frauen zusammentrommelten, um ihnen zu erklären, an welchem Ende man ein Schwert anpacken sollte.
Der Plan war gewesen, einen kurzen Kampf mit Holzstöcken zwischen ihnen beiden vorzuführen, um vor allem den weiblichen und schwächeren Flüchtlingen ein Gefühl dafür zu vermitteln, was auch ein kleiner und vermeintlich wehrloser Gegner ausrichten konnte.
Sikaîl tat sein Bestes, ihr die Möglichkeit zu bieten, sich abzureagieren – sie konnte es an seinen Schlägen und Bewegungen spüren, die zu kräftig und fordernd waren für ein Training. Gegen die Wut, die ihre Angriffe und selbst ihre Blockaden anfachte, kam er jedoch kaum an, und der letzte Hieb traf seine Brust so stark, dass er zu Boden ging.
Sein verzerrtes Gesicht, als er versuchte, wieder zu Atem zu kommen, brachte Daena in die Realität zurück. Den morgigen Tag würde er verfluchen, wenn die Blessuren und überanstrengten Muskeln ihren Tribut forderten. Er ließ sich von ihr aufhelfen, ihre geflüsterten Entschuldigungen dagegen wollte er nicht hören. Zum ersten Mal seit ihrem Wiedersehen sah Daena wieder den großen Bruder in ihm und war dankbar dafür.
Nach diesem Kampf gab es keinen Mangel an Kampfanwärtern, sodass sie diese in zwei Gruppen teilen mussten. Überraschenderweise waren neben Eifer auch einiges an Talent und hie und da sogar Vorkenntnisse zu beobachten. Das hier waren Familien, die ihr Hab und Gut und oft genug auch ihr eigenes Leben verteidigt hatten.
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