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Herz im Spiel

Herz im Spiel

Titel: Herz im Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Cheney
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öffnete die Tür. Die weibliche Gestalt, die als Umriss vor dem Fenster zu erkennen war, hielt er für Mrs River.
    „Ihr Hunde, ihr wähntet, ich kehrte nimmer zur Heimat aus dem Land der Troer“, zitierte er lächelnd. Dann gewöhnten seine Augen sich an die Lichtverhältnisse, und seine fröhliche Miene erstarrte. „Miss Trenton. Ich hatte Sie nicht hier erwartet.“
    „Haben Sie denn Mrs Rivers Nachricht nicht erhalten? Sie sagte, sie hätte Ihnen geschrieben und Ihnen mitgeteilt, dass ich diesen Monat hier sein würde.“
    „Den ganzen Juni über?“
    Marianne nickte, und Desmond spürte, wie ihm flau im Magen wurde.
    Sicher, er hatte einen Brief von Mrs River erhalten und gewiss die Absicht gehabt, ihn zu lesen. Doch er ging nachlässig mit seiner Korrespondenz um und hatte das Schreiben zunächst verlegt. Und als er es wiederfand, war er schon mit dem Packen für seine Rückkehr nach Kingsbrook beschäftigt und hatte es beiseitegelegt in der Annahme, er werde den Inhalt schon bei seinem Eintreffen erfahren.
    Und genau das war nun geschehen.
    „Mrs Avery hat die Akademie den Sommer über geschlossen“, erklärte Marianne. „Im Schlafsaal waren noch vor dem Winter Reparaturen vorzunehmen, und sie wollte nach Birmingham fahren, um eine kranke Cousine zu besuchen.“
    „Das finde ich äußerst ungünstig“, meinte Desmond, ohne darüber nachzudenken, ob seine Reaktion vielleicht etwas schroff klang.

    „Ja, tatsächlich, und ich bitte um Verzeihung, aber ich konnte nirgendwo anders hin“, sagte Marianne mit einem leichten Zittern in der Stimme.
    „Natürlich nicht“, versicherte er ihr rasch und schuldbewusst. „Ich wollte nicht zum Ausdruck bringen, Sie wären nicht willkommen. Wie ich schon einmal sagte, sollen Sie Kingsbrook als Ihr Heim betrachten.“
    „Tja, bis Ende des Monats bin ich nun einmal hier“, bemerkte sie hilflos.
    Eine Weile sahen sie einander schweigend an. Beide waren sich der schwierigen Lage, in die sie dadurch gerieten, nur zu bewusst. Marianne wäre die ganze Sache nicht so schrecklich erschienen, wenn ihr Zusammentreffen mit Onkel Horace in Farnham und seine Andeutungen über ihren Vormund ihr nicht derart als ständige, unangenehme Erinnerung vor Augen gestanden hätten. Und Desmond selbst hätte die Entwicklung mit größerem Gleichmut betrachtet, hätte Marianne nicht ausgerechnet ein Kleid in blassem Moosgrün getragen und wären über ihre Wangen und ihren Hals nicht lose Haarsträhnen gefallen. Sie sah so jung aus wie an dem Abend, an dem sie hergekommen war, und so verführerisch. Beschämt nahm er das Heben und Senken ihres Busens wahr und registrierte ihre vollen, feuchten Lippen.
    „Ich verstehe. Das stellt uns vor ein Problem. Ich habe meinen Pächtern angekündigt, ich würde bis zum ersten August hier auf Kingsbrook bleiben.“ Er sah sich in der ansprechend eingerichteten Bibliothek um und blickte dann aus dem Fenster, über das wogende Gras hinweg. „Anscheinend kann ich, genau wie Sie, nirgendwo anders hin.“
    „Wären es Ihnen nicht möglich …“, begann Marianne, doch bevor sie hoffnungsvoll ihren Vorschlag vorbringen konnte, kam Mrs River ins Zimmer gerauscht.
    „Mr Desmond. Welche Freude! Und wenn man denkt, dass Sie und Miss Marianne den ganzen Monat zusammen verbringen können. Ist unser Mädchen in Farnham nicht groß geworden? Sie wird eine richtige Dame.“ Strahlend stand die Haushälterin vor den beiden.
    Marianne errötete heftig und senkte den Kopf. „Mrs River, bitte“, protestierte sie leise.
    „Und klug! Sie ist ganz schön gelehrsam. Kommen Sie schon, Miss, erzählen Sie schon Mr Desmond, was Sie mir über Corio… Corialon… Corilus…“
    „Coriolanus. Und ich glaube nicht, dass Mr Desmond sich für die Biografien des Plutarch interessiert“, meinte Marianne.
    „Im Gegenteil, Miss Trenton, ich hege großes Interesse für Coriolanus, Perikles, Demosthenes und Cäsar. Ich habe mich selbst an ihren edlen Gedanken und Taten erbaut und freue mich zu hören, dass Sie ebenfalls Bekanntschaft mit ihnen schließen“, sagte Desmond.
    „Lassen wir es jetzt genug sein“, warf Mrs River ein. Die Haushälterin war nicht so unsensibel, wie die beiden annahmen. Sie hatte schon beim Eintreten gemerkt, dass im Raum eine beklommene Stimmung herrschte, und meinte, jetzt sei es an der Zeit, die beiden zu trennen, damit die Spannung sich legen konnte. Sie hatte Miss Marianne sehr lieb gewonnen, und für Mr Desmond hatte sie immer eine

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