Herz im Zwiespalt (German Edition)
Himmel, diese Schuldgefühle. Sie brannten sich wie glühende Speere in ihre Eingeweide. Lizz warf verstohlen einen Blick auf ihren Vater, der ihr über Eck gegenüber saß. Er genoss die künstlerischen Beiträge der Zigeuner in vollen Zügen und lachte lauthals auf, als ein kleiner Hund sich standhaft weigerte, erneut durch das Flammenmeer zu springen.
Lizz senkte beschämt den Blick. Ihr Vater wäre entsetzlich enttäuscht von ihr, wenn er wüsste, was sich heute zwischen ihr und seinem Erzfeind zugetragen hatte. Dieses Wissen schmerzte sie unerträglich und überwog sogar ihr schlechtes Gewissen David gegenüber. Natürlich wusste Lizz, dass weder diese nagenden Schuldgefühle noch die Selbstvorwürfe irgendjemandem etwas nutzten, am wenigsten ihr selbst. Dennoch empfand sie sie auf zerstörerische Weise als ihre gerechte Strafe. Sie hätte sich stärker wehren müssen. Niemals hätte sie diesen Kuss und vor allem diese Gefühle zulassen dürfen. Niemals. Ganz egal, wie geübt dieser Douglas in seinen Verführungskünsten auch war! Sie hätte ihm widerstehen müssen. Unter gesenkten Wimpern hervor beobachtete sie ihn verstohlen. Er saß auf der anderen Seite des Halbkreises, umgeben von seinen Clanbrüdern, und ließ sich gerade von einem Lakaien den Weinkelch füllen. Isabella Knight saß zu seiner Linken. Lizz fiel auf, dass George anscheinend eine besondere Vorliebe für schwarze Kleidung hegte. Ein blütenweißes Seidenhemd bildete auch heute einen herrlichen Kontrast zu seiner gebräunten Haut und dem blauschwarzen Haar. Der lodernde Schein der Fackeln tauchte sein kantiges Gesicht in mysteriöse Flächen aus Schatten und Licht. Ihr Blick blieb an seinen sinnlichen Lippen hängen, die sich zu einem schmalen Strich zusammenpressten. So grimmig und doch so unglaublich verführerisch .... Das angenehme Prickeln breitete sich schmelzend warm in ihrem Körper aus. Beinahe glaubte sie, seine Lippen noch immer auf den ihren spüren zu können. Warm und fordernd und unglaublich aufregend. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als sie sich an seine warmen Hände erinnerte, die so zärtlich über ihren Hals geglitten und sie so fest an seinen harten Körper gepresst hatten.
Lizz zuckte innerlich wie unter einem Peitschenhieb zusammen, als sie bemerkte, welche Wege ihre Gedanken einschlugen. Himmel, war sie denn vollkommen verrückt geworden? Georges Kuss war das Letzte, woran sie sich erinnern wollte, und seit wann nannte sie diesen Douglas in Gedanken eigentlich bei seinem Vornamen?! In diesem Moment wurden ihre Augen von einer schmalen, feingliedrigen Frauenhand auf seinem Unterarm angezogen. Die Hand gehörte Isabella. Der bohrende Stich traf Lizz vollkommen unvorbereitet mitten ins Herz. Himmel, das wurde ja immer schlimmer.
Als sie aufschaute, begegnete sie Georges nachdenklichem Blick und erstarrte.
Er studierte sie, als wäre sie ein fremdartiges Wesen, das er nicht genau einzuordnen verstand.
»Lizz, ist mit dir alles in Ordnung?«, flüsterte Allan besorgt und musterte sie von der Seite her. »Du scheinst mir heute ziemlich verkrampft. Gefällt dir die Darbietung nicht?«
Darbietung? Welche Darbietung? Ach so, die Zigeuner. Wütend über sich selbst zwang Lizz sich zu einem kleinen Lächeln. »Ich fürchte, mit meiner Konzentration ist es heute nicht weit her.«
Er grinste breit und zog seine Augenbrauen viel sagend hoch. »Das hat nicht zufällig etwas mit einem gewissen David Flemming zu tun?«
Wenn es doch nur so wäre. Ihre Wangen röteten sich vor Verlegenheit.
Mit einem Mal verstummte die Musik und ein attraktiver Zigeuner trat in die Mitte des Halbkreises. Mit tiefer, melodiöser Stimme verkündete er nun den Höhepunkt des Programms. Als er sich zurückzog, erklangen die lieblich hohen Töne einer Hirtenflöte. Eine in einen Mantel gehüllte Frau trat mit einer Fackel in der Hand in die Mitte der Tische. Bis auf die nackten Füße und die schlanken Waden war sie vollkommen verhüllt.
Während die Flöte einer einsamen Melodie nachhing, gesellten sich leise, helle Glockenklänge hinzu und die Frau begann sich in langsamen, fließenden Bewegungen zu wiegen. Die Szenerie barg etwas Mystisches und zog die Zuschauer tief in ihren Bann. Ein lauter Trommelschlag ertönte, und die verhüllte Gestalt ließ die Fackel fallen, als hätte sie sich erschrocken. Sogleich lief das Feuer in einem großen Kreis um die Frau herum und schloss sie ein. Kniehoch loderte das Feuer um sie herum auf und alle hielten
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