Herz in Fesseln
seinen Augen erfüllte Anna erneut mit Panik. „Es gibt kein Uns!“, begehrte sie heftig auf. „Ich will dich nicht, kannst du das nicht akzeptieren?“
„Das war aber nicht die Botschaft, die dein Körper ausgesandt hat.“
In ihrem aufgewühlten Zustand empfand Anna Damons Gelassenheit als unerträgliche Provokation. Ihre Nerven lagen blank, und das penetrante Klingeln des Handys machte sie fast wahnsinnig. „Falls ich ein falsches Signal gesetzt habe, entschuldige ich mich in aller Form“, entgegnete sie mühsam beherrscht, „aber für beiläufigen Sex stehe ich nicht zur Verfügung. Und jetzt beantworte endlich diesen Anruf, um Himmels willen!“
„Nein, wir müssen reden.“ Damon griff nach dem Handy, um es auszuschalten, doch als er die Nummer auf dem Display sah, zögerte er. „Tut mir leid, aber diesen Anruf muss ich wohl doch entgegennehmen.“
„Kann ich in der Zwischenzeit kurz dein Bad benutzen?“
Damon deutete auf die Tür am anderen Ende des Salons. „Es schließt direkt an mein Schlafzimmer an.“
Was geschieht mit mir?, fragte Anna sich verzweifelt, als sie sich kurz darauf über das Waschbecken aus zartrosa Marmor beugte und ihr Gesicht mit kaltem Wasser benetzte. Sie hob den Kopf und blickte in den Spiegel, als könnte sie dort eine Antwort auf ihre Frage finden. Doch sie sah nur eine unglückliche Frau mit einem erschreckend verängstigten Ausdruck in den Augen.
Nach ihrem beschämenden Auftritt vorhin konnte Damon sie nur für ein neurotisches Wrack halten. Gequält stöhnte Anna auf und ließ den Kopf nach vorn sinken, bis ihre Stirn den Spiegel berührte. Wenn es doch nur einen Zauberknopf gäbe, mit dem sie ihre selbstzerstörerischen Gedanken einfach ausschalten könnte! Sie wollte jetzt nicht denken. Sie wollte einfach nur nach Hause und im sicheren, vertrauten Kokon ihrer Wohnung ihre Wunden lecken, bis sie sich wieder in der Lage fühlte, der Welt zu begegnen.
Aber jetzt war sie in Damons Badezimmer, wo sie sich schließlich nicht ewig verstecken konnte. Also riss sie sich zusammen und atmete mehrmals tief durch, bevor sie sich schweren Herzens wieder auf den Weg durch sein Schlafzimmer machte.
Die Tür zum Salon stand einen Spaltbreit offen. Anna konnte hören, dass Damon griechisch sprach und fragte sich unwillkürlich, wer wohl so begierig darauf gewesen war, ihn zu sprechen. Seine Stimme klang weich und intim, und seine gelöste Körperhaltung stand in starkem Kontrast zu der nervösen Anspannung, die sie noch vor wenigen Minuten bei ihm wahrgenommen hatte. Unterhielt er sich mit einer seiner Geliebten in Griechenland? Unwillkürlich tauchte vor Annas geistigem Auge das Bild einer dunkeläugigen, sinnlichen Schönheit auf. Einer richtigen Frau, die Damon unkomplizierten Sex bieten konnte und im Gegensatz zu ihr nicht voller Ängste und Komplexe steckte.
Als ihr Blick auf das breite Bett fiel, das den ganzen Raum dominierte, traten Anna heiße Tränen in die Augen. Wenn die Dinge anders lägen … wenn sie anders wäre – hätte Damon sie dann in diesem Bett geliebt? In diesem Augenblick wünschte Anna mehr als alles andere, die Frau sein zu können, als die er sie so gern sehen wollte: eine aufregende, erfahrene Verführerin, die ihm mit ihren raffinierten Liebeskünsten den Verstand raubte …
Energisch blinzelte sie die Tränen zurück und setzte ihren müßigen Überlegungen ein Ende. Solche Fantasien führten zu nichts und machten alles nur noch schlimmer. Ihr Stiefvater hatte ihrem Selbstwertgefühl irreparablen Schaden zugefügt und sie damit der Chance beraubt, jemals eine normale, liebevolle Beziehung zu führen.
Als Anna erneut durch den Türspalt spähte, stellte sie fest, dass Damon immer noch telefonierte. Seine Körperhaltung verriet allerdings, dass er kurz davor war, das Gespräch zu beenden. Danach würde er mit Sicherheit eine Erklärung für ihr Verhalten verlangen.
Obwohl er jedes Recht der Welt dazu hatte, war der Gedanke unerträglich.
Wie ein gehetztes Tier blickte Anna um sich und entdeckte eine weitere Tür, die, wie sie erleichtert feststellte, direkt auf den Korridor führte. Wenige Minuten später stieg sie aus dem Lift und eilte zur Rezeption, um sich ein Taxi zu bestellen.
Es machte keinen Sinn, diese qualvolle Situation unnötig zu verlängern. Und noch zweckloser war es, auf eine Beziehung mit Damon zu hoffen, nachdem sie soeben ihre Unfähigkeit bewiesen hatte, wie eine halbwegs normale Frau auf ihn zu reagieren.
7.
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