Herz in Gefahr (German Edition)
sich Helen einfach nicht entziehen konnte, die ihr Respekt und eine leichte, unerklärbare Furcht einflößten. Und genauso schnell wie Robin zum Mann geworden war, war Helen zur Frau herangewachsen. Sie fühlte sich unwiderstehlich zu Robin hingezogen, und doch war da etwas, das sie nicht benennen konnte, das sie verunsicherte und verwirrte. War das, was sie für Robin Bloomfield empfand, was sie willenlos und sehnsüchtig machte, die Liebe, von der sie einst in den Liedern der Spielleute gehört hatte? Doch Robin erflehte ihre Liebe nicht, warb nicht mit schönen Worten und edlen Taten um ihre Gunst. Nein, Robin bezwang sie einfach mit seiner Anwesenheit. Mit Blicken, die wie Feuer auf ihrer Haut brannten, mit Gesten, die keinen Widerspruch duldeten. Wie Helen es auch drehen und wenden mochte, sie fühlte sich Robin schlicht und einfach ausgeliefert – und sie genoss dieses Gefühl mit allen Sinnen. Oder war ihr der Gedanke an eine Ehe mit ihm bereits so in Fleisch und Blut, in ihr Denken und Fühlen übergegangen, dass sie meinte, ihn zu lieben, weil sie sich nichts anderes mehr vorstellen konnte? Sie wusste es nicht. Und je mehr sie darüber nachgrübelte, desto größer wurde ihre Verwirrung. Helens Blick fiel auf den schlafenden Mann vor ihr. Warthorpe scheint sich meiner Hand bereits sicher zu sein, dachte sie mit einer Mischung aus leichter Verärgerung und Spott. Zumindest zeigt er nicht die geringste Aufregung, wie man sie bei einem Mann, der um die Hand einer Frau anhält, wohl erwarten dürfte. Sie räusperte sich vernehmlich. Sir Matthew hob den Kopf und sah sie aus rotgeränderten Augen, die von schwarzen Schatten umflort waren, an.
»Sir«, sagte sie und fasste ihn leicht am Ärmel. »Ich kann nicht Eure Frau werden. Ich werde Lord Robin Bloomfield heiraten. Ihr findet sicher eine andere, diebesser für Euch sorgen kann, als ich es vermag. Es tut mir Leid, doch ich bin nicht in Euch verliebt.« Matthew war bei diesen Worten mit einem Schlag hellwach. Er musterte Helen durchdringend, als wolle er hinter ihrer Stirn die verborgenen Gedanken lesen, und tatsächlich bemerkte er eine Spur von Mitleid in ihren Augen. Grob fasste er ihre Hand und hielt sie mit festem Griff umklammert, dem Helen sich nicht entziehen konnte, ohne unhöflich zu wirken.
»Bin ich Euch nicht gut genug, dass Ihr mich abweist wie einen nichtswürdigen Tagedieb? Zählt das Blut, dass in Euren Adern fließt und aus den gleichen Wurzeln stammt wie das meine, so wenig, dass Ihr glaubt, mit einem Fremden besser zu fahren? Überdenkt Euren Entschluss noch einmal, ehe ihr ihn bereut«, drang er mit schneidender Stimme in sie.
Helen wurde es unter Matthews Blick und seinen ungestümen Fragen, die ihr wie Drohungen erschienen, beklommen zumute. Mit einer raschen Bewegung entzog sie ihm ihre Hand und trat einen Schritt zurück. Sie wünschte, ihr Vater, die Kinderfrau Margaret oder selbst eine Magd würden jetzt die Halle betreten, damit sie nicht länger mit diesem unheimlichen Besucher allein bleiben musste. Doch niemand kam. Außer ihr und Sir Matthew war keine Menschenseele zu hören oder zu sehen. Helen holte noch einmal tief Luft, dann antwortete sie: »Sir, ich bitte Euch, bedrängt mich nicht. Mein Entscheidung ist gefallen und ich brauche sie vor Euch nicht zu rechtfertigen. Ich kann für Euch keine Liebe empfinden, solange ich auch darüber nachdenke. Und ohne Liebe werde ich nicht heiraten, selbst wenn der König um meine Hand anhalten sollte. Das dürfte Euch als Erklärung, die ich Euch um des Anstandes willen schulde, genügen.«
Matthew betrachtete Helen, die hochaufgerichtet vor ihm stand und ihren Blick fest auf einen unsichtbarenPunkt auf der Wand über seinen Kopf gerichtet hielt. Eine Weile lang schwiegen beide. Es war so still in der Halle, dass das Zwitschern der Vögel, welches durch die offenen Fenster hereindrang, wie ein ganzer Kirchenchor klang. Endlich räusperte sich Sir Warthorpe und durchbrach das Schweigen.
»Nun gut. Ich habe Eure Worte vernommen. Doch ob ich mich damit zufrieden geben kann, wird die Zeit erweisen«, erwiderte er messerscharf. Helen zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen. Sie begegnete Matthews Blick, aus dem jede Wärme verschwunden war und der ihr das Blut in den Adern erstarren ließ. Sie verzichtete auf eine Erwiderung, ließ den Mann einfach stehen und eilte mit schnellen Schritten die Treppe zu ihrem Turmzimmer hinauf. Oben angekommen, warf sie die Tür ins Schloss und
Weitere Kostenlose Bücher