Herz in Gefahr (German Edition)
erinnere ich mich genau. Ein Sonnenstrahl brach durch die Bäume, als der Mann zum Schlag ausholte. Das Licht spiegelte sich im Stein seines Ringes. Es war ein glutroter Rubin.«
Für einen Moment herrschte überraschtes Schweigen im Raum. Jeder der Anwesenden wusste, dass Lord Robin Bloomfield, Helens Verlobter, ein solches Schmuckstück besaß. Helen war die erste, die Worte fand.
»Nein!«, erwiderte sie mit fester Stimme. »Du musst dich getäuscht haben, Margaret. Auch ich sah einen roten Stein in der Sonne funkeln, doch bedenke, welche Täuschungen das Licht dem Auge vorgaukeln kann. Es lässt selbst Tautropfen wie Diamanten glitzern, zaubert Regenbögen an den Himmel und macht, dass braunes Haar im Abendlicht wie knisterndes Feuer leuchtet.
Waren wir nicht viel zu weit entfernt, um jetzt mit Bestimmtheit sagen zu können, welche Farbe der Stein des Ringes tatsächlich hatte? War er wirklich rot? Oder vielleicht gelb? Kann es nicht auch ein Bernstein gewesen sein, ein Granat, ein Karneol oder ein Tigerauge?«
Die beiden Frauen sahen sich an. Die anderen am Tisch verharrten in nachdenklichem Schweigen und betrachteten Helen und ihre Kinderfrau, die mit den Augen einen stummen Zweikampf ausfochten. ›Ich weiß, was ich gesehen habe‹, sagten die Blicke der Älteren. ›Du täuschst dich, du musst dich täuschen‹, erwiderten die der Jüngeren. ›Und selbst wenn du Recht haben solltest, so will ich es doch nicht wissen. Weil nicht wahr sein darf, was nicht wahr sein kann.‹
Die Kinderfrau schlug als Erste den Blick zu Boden.
Sekundenlang schaute sie auf die Platte des schweren Eichentisches, als stünde dort die Wahrheit geschrieben, die ohnehin nur sie allein kannte. Schließlich sah sie auf. »Sicher habt Ihr Recht. Das Sonnenlicht muss mich genarrt haben«, antwortete die Kinderfrau, doch ihre Augen verrieten, dass sie ihren eigenen Worten keinen Glauben schenkte. Wie leicht wäre es, alles zu sagen, was ich gesehen habe, dachte sie verzweifelt. Selbst den Tod würde ich in Kauf nehmen, um die Last von meinen Schultern zu werfen. Doch schlimmer als der Tod ist die Verachtung derer, die ich liebe. Das ist mehr, als ich ertragen kann.
Aufgrund des kurzen Wortwechsels zwischen Helen und der Kinderfrau schwebte der Name Lord Bloomfields unausgesprochen im Raum. Doch niemand der Anwesenden wagte es, ihn offen auszusprechen. Er war Helens Verlobter und somit von vornherein befreit von jeglichem Verdacht.
Die Bloomfield Manors grenzten an den Wald von Waterhouse. Das war eine Tatsache, doch sie bewies noch lange nicht, dass der Unbekannte ein Bloomfield war. Und selbst wenn die Kinderfrau und Helen einen roten Ring gesehen hatten, so gab es derer zu viele, als dass man daraus einen schlüssigen Beweis herleiten konnte.
Das Schweigen am Tisch war drückend, bis schließlich der alte Lord die Geduld verlor und mit der Faust auf die Platte schlug, dass alle aufschraken.
»Herrgott noch mal!«, donnerte er. »Ihr müsst doch irgendetwas gesehen haben! Denkt nach! Erinnert euch! Es war doch kein Geist, der meinen Sohn getötet hat! Der Schurke darf nicht ungeschoren davonkommen!«
Doch Helen und Margaret schwiegen. Sie hatten alles gesagt, was zu sagen war. Nur der Rittmeister rutschte unruhig auf seiner Bank hin und her. Schließlich griff er unter sein Wams und zog einen Gegenstanddaraus hervor. Er schleuderte ihn auf den Tisch, als wäre die Berührung ihm unangenehm, und sagte mit knappen Worten: »Dies hier, Herr, lag auf der Lichtung. Ich habe gesehen, wie Margaret es aufhob und verbergen wollte.«
Fragend ließ Lord Waterhouse seine Blicke zwischen der Kinderfrau und dem Rittmeister hin- und herschweifen. Dann nahm er den Gegenstand auf, einen schwarzledernen Handschuh, und betrachtete ihn gründlich von allen Seiten.
Bei den Worten des Rittmeisters hatte auch Helen neugierig den Kopf gehoben. Nun beobachtete sie, wie ihr Vater den Handschuh von vorn und hinten besah und ihn schließlich mit dem Ausdruck grenzenloser Enttäuschung angewidert zurück auf den Tisch legte. Vier Worte sprach er nur aus, doch diese vier unschuldigen kleinen Worte zerstörten Helens Zukunft. »Das Wappen der Bloomfields!«, presste er zwischen den Zähnen hervor und schüttelte ungläubig den Kopf.
Hastig griff Helen nach dem Handschuh und betrachtete die kleine Stickerei auf dem Rücken, die einen Adler zeigte, der über blühende Felder kreist. Lord Robins Wappen.
Ihr Oberkörper fuhr herum. Wie eine Tigerin, die zum
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