Herz in Gefahr (German Edition)
Rochester ist da! Schnell, beeile dich, sie wollen gleich mit der Verhandlung beginnen. In den Gartenpavillon mit dir. Nimm die Hintertreppe!«
Margaret blieb ungerührt auf ihrem Polsterstuhl am Fenster sitzen und bewegte sich nicht. Sie sah den Lord aufmerksam, doch ohne Angst ins Gesicht.
»So beeile dich doch!«, rief der Lord und rang verzweifelt die Hände.
»Nein, Mylord. Ich danke Euch für Eure Hilfe und für Eure Mühe. Doch ich brauche sie nicht. Ich werde mich dem Gericht stellen, und niemand wird mich daran hindern«, antwortete Margaret mit fester Stimme.
»Sei nicht so dumm. Sie drohen damit, Beweise vorzulegen und Zeugen zu befragen. Es sieht böse für dich aus. Das Ketzergericht kennt kein Erbarmen und keine Gnade. Die Dorfleute warten begierig darauf, dich auf dem Scheiterhaufen brennen zu sehen. Versteck dich,sonst bist du verloren!«, beschwor Lord Waterhouse eindringlich die Kinderfrau. Er konnte nicht verstehen, warum sie seine Hilfe verweigerte. Sie brauchte ihn doch, sonst musste sie sterben!
Als hätte Margaret die Gedanken des Lords lesen können, antwortete sie: »Ich fürchte den Tod nicht, Mylord. Wenn der Herr im Himmel beschlossen hat, dass es Zeit für mich ist, so werde ich mich dem nicht widersetzen.«
Und leise, so als spräche sie nur zu sich, fügte sie hinzu: »Ich habe Schuld auf mich geladen. Und nun ist es soweit, dass ich dafür büßen muss!« Ich habe versagt, führte Margaret in Gedanken hinzu, und habe alles verloren, was ich jemals liebte. Andrew, und nun auch noch Helen. Die Kälte in ihr, der Eispanzer, den ich nicht zu durchbrechen vermag. Ich bin es nicht mehr wert zu leben. Ich gebe auf. Soll ein anderer an meiner Stelle kämpfen, mir fehlt die Kraft. Lord Waterhouse sah die Kinderfrau fassungslos an und schüttelte den Kopf.
»Was redest du da? Von welcher Schuld sprichst du? Du hast mir in all den Jahren treu gedient. Fast bist du mir zur Freundin geworden. Ich kann es nicht zulassen, dass du auf dem Scheiterhaufen brennen sollst! Darum lass uns nicht länger reden, die Zeit drängt!«
»Ihr seid immer gut zu mir gewesen, Mylord. Doch über mein Sterben habt Ihr keine Macht. Mein Wort gilt: Ich werde mich dem Gericht stellen.«
Damit stand Margaret auf, legte sich trotz der sommerlichen Temperaturen ihren wollenen Umhang um die Schulter, als ob sie fröre und ging entschlossenen Schrittes aus ihrer Kammer hinaus.
Lord Waterhouse blieb unschlüssig in der Kemenate stehen. »Gott stehe ihr bei!«, flüsterte er und begab sich dann eilends zu Helen.
»Hast du gehört, Kind, was hier in wenigen Augenblicken geschehen soll», fragte er, in der Hoffnung, dass Helen vielleicht Rat wüsste. Doch seine Tochter starrte nur blicklos vor sich hin, wie so oft seit Andrews Tod, und schien wieder in ihre fremde Welt versunken, zu der niemand Zugang hatte.
»Ja, Vater«, antwortete sie abwesend.
»Lauf ihr nach. Sprich du noch einmal mit ihr. Vielleicht kannst du sie überreden, sich zu verstecken«, drang er in sie.
»Es hat keinen Zweck, Vater. Manche Menschen fühlen, wenn ihr Ende naht. Sie haben ihre Pflicht auf Erden erfüllt. Es gibt nichts mehr, das sie noch tun könnten. Dann ist es besser, sie in die Ewigkeit zu entlassen«, antwortete Helen und wirkte dabei unendlich müde.
Der alte Lord schreckte vor der Trostlosigkeit in Helens Stimme zurück. Hatte sie von sich selbst gesprochen? Waren etwa beide Frauen der Welt entrückt? Doch er hatte jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Er musste hinunter in den Hof und dem Prozess beiwohnen. Vielleicht geschah ein Wunder, und alles wurde doch noch gut.
»Seid Ihr Margaret, Kinderfrau, seit Jahren in Diensten auf Waterhouse, jetzt 37 Jahre alt?«, schallte die Stimme des Richters Sir Dogde über den Innenhof der Burg Waterhouse. Er hatte Mühe, sich gegen das Stimmengewirr, Getuschel und Gewisper aus den Reihen der Zuschauer durchzusetzen. Margaret stand vor dem Richtertisch, die Hände mit derben Stricken auf dem Rücken zusammengebunden, hochaufgerichtet, und sah den beiden Männern angstfrei in die Augen.
»Jawohl, die bin ich!«, antwortete sie mit fester Stimme.
»Ihr werdet beschuldigt, mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Desweiteren wirft man Euch vor, den Tod des Erben von Waterhouse wenn nicht herbeigeführt,so doch geduldet zu haben, im Dorf einem Kleinkind durch Zauberei den Tod gebracht und das Vieh verhext zu haben. Außerdem sollt Ihr Gott und der Kirche abgeschworen, eine heilige Hostie
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