Herz in Not
kannst.“
„Von Stickerei verstehe ich so gut wie nichts“, alberte Richard, als sie vor der goldverzierten Doppeltür stehen blieben. „Skandalöse Sprüche kenne ich zur Genüge. Die meisten wohl über uns beide. Und bei der neuesten Pariser Mode ...“
„Bist du bestens über die Preise informiert.“
„Mrs. Hart ... Mrs. Sweeting ... ich freue mich über Ihren Besuch“, begrüßte David seine Gäste liebenswürdig, als er die Tür öffnete und quer durch das luxuriös eingerichtete Empfangszimmer zu den beiden Damen ging.
Impulsiv sprang Victoria auf und knickste. Ihr Herz schlug wie wild. Plötzlich konnte sie wieder keinen klaren Gedanken fassen. Schweigend hatten sie und ihre Tante in der vornehmen Pracht gesessen und fast zehn Minuten gewartet. Victoria war sich schließlich sicher gewesen, dass sie genug Mut und Haltung besaß, die Begegnung durchzustehen. Doch Davids charmante Begrüßung machte alle ihre Vorsätze zunichte. Auch die sonst so redegewandte Tante schien keine große Hilfe zu sein. Matilda Sweeting saß wie erschlagen von all dem Reichtum um sie herum still in ihrem Sessel.
Victorias Blick schweifte von der imposanten Gestalt ihres Gastgebers zu Richard Du Quesne. Zögernd erwiderte sie sein herzliches Lächeln.
„Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an Baron Du Quesne erinnern, Mrs. Hart“, unterbrach David Victorias Gedankengänge.
„O ja, sicher!“ erwiderte sie ungezwungen. Natürlich hatte sie den blonden jungen Mann sofort wieder erkannt. „Wie geht es Ihnen, Mylord?“
„Danke, gut. Und Ihnen, Mrs. Hart? Und Ihrer Tante? Es ist doch Ihre Tante, nicht wahr?“ Richard konnte kaum den Blick von Victoria wenden. Die Zeit war an der schwarzhaarigen Schönheit spurlos vorbeigegangen, nur ihr sprühendes Temperament schien sie verloren zu haben. Zart und zerbrechlich sah sie aus, so als ob sie eine schwere Last auf ihren schmalen Schultern trage.
Victoria errötete verlegen. „O ja, natürlich. Darf ich Ihnen Mrs. Sweeting vorstellen? Tante Matilda ... Baron Du Quesne, ein Freund von Lord Courtenay. Wir waren befreundet, als wir noch in London lebten. Du erinnerst dich sicherlich.“
Matilda nickte freundlich und machte Anstalten sich zu erheben.
„Oh, bleiben Sie doch sitzen, Mrs. Sweeting“, wehrte David ab. „Ach, da kommt ja auch der Tee.“
Eine seltsame Spannung lag im Raum. Während die beiden Hausmädchen geschickt die schweigsamen Gäste bedienten, war Victoria dankbar, dass sie ihre Aufmerksamkeit auf den Tee und das Gebäck lenken konnte.
Nervös stellte sie nach einer Weile ihren goldgeränderten Teller auf den Rosenholztisch zurück. David lehnte lässig gegen den Sims des Marmorkamins. Richard Du Quesne ging mit der Teetasse in der Hand bedächtig über den kostbaren Perserteppich, zog sich einen der Ebenholzstühle heran, setzte sich neben Tante Matilda und begann mit ihr über die Vorzüge des Landlebens und die Widrigkeiten des Reisens zu plaudern. Innerlich schüttelte Victoria über die knappen unbeholfenen Antworten ihrer Tante den Kopf. Jedoch dank Richards geduldiger Beharrlichkeit schien Matilda allmählich ihre ungewohnte Schweigsamkeit zu überwinden. Und als Victoria schließlich hörte, wie sie sich über die beiden Gasthäuser „King und Tinker“ und „Bell Inn“ in Enfield entrüstete, da lehnte sich Victoria entspannt in ihrem Sessel zurück.
Irgendwie werde ich nun mit ihm sprechen müssen, überlegte sie. Ein wenig hilflos sah sie zu ihrer Tante hinüber, die in dem prunkvollen Sessel fast winzig wirkte, dann blickte sie langsam auf. David beobachtete sie ungeniert. Er wich ihrem Blick nicht aus, lächelte nicht, zeigte keinerlei Regung. Ihr war, als wisse er genau, was sie von ihm wollte -und als bereite ihm dies auch noch Vergnügen.
Irritiert schaute Victoria zur Seite. Noch nie im Leben hatte sie sich so erniedrigt gefühlt - und sie hatte noch nicht einmal ihre Bitte geäußert.
„Sie haben ein wunderschönes Haus, Mr. Hardinge ... oh, Verzeihung, Lord Courtenay ... ich vergaß ...“, stotterte sie.
„Ach, das macht nichts, Mrs. Hart. Sagen Sie einfach David“, beruhigte er sie, und als sie nicht antwortete, meinte er höflich und unsicher lächelnd: „Es freut mich, dass Ihnen mein Haus gefällt. Darf ich Sie herumfuhren?“
Victoria verstand sofort: Er bot ihr die Gelegenheit zu einem Gespräch unter vier Augen. ,Ja, gerne“, flüsterte sie kaum hörbar. Plötzlich kam ihr der Verdacht, David könne annehmen,
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