Herz in Not
Sessel, den Worthington gerade frei gemacht hatte. „Wir haben eine Einladung zu Mrs. Crawfords ... hm ... bacchantischen Ausschweifungen heute Abend.“
„So?“ sagte David mit Blick auf den Stapel Geld, der immer noch auf dem Tisch lag.
„Aha, wir gehen also nicht“, murmelte Richard. „Hast du eine Einladung zu den Blairs?“ Er wartete nicht auf die Antwort. „Ich habe eine und freue mich schon die ganze Woche darauf.“
David lehnte sich zurück und streckte seine langen Beine unter dem Kartentisch aus. „Du wirst dich zu Tode langweilen.“
„Das bedeutet, du wirst auf jeden Fall hingehen“, stellte Richard fest. „Gibt es eine Lektion über wahre Reue? Ich werde gut aufpassen“, meinte er grinsend, stand auf und ging leise pfeifend zur Tür. David sah ihm ärgerlich hinterher, dann erhob er sich mit einem Fluch und folgte dem Freund in die Dämmerung.
„Skandalös ...“
Emma nickte Victoria aufmunternd zu, dann drehte sie sich zu den beiden fetten Matronen um, die dicht nebeneinander auf dem Sofa saßen. „Entschuldigung, Mrs. Porter. Was sagten Sie?“
Victoria unterdrückte ein Lächeln. Offensichtlich scheute Emma die Auseinandersetzung nicht.
„Ach, Emma, ich sprach mit Mrs. Plumb darüber, wie schrecklich es sein muss, wenn man schon so jung verwitwet ist.“ Sie blickte viel sagend auf Victorias glühendes Profil. „Ihre neue Freundin ...“
„Ich danke Ihnen für Ihr Mitgefühl, Mrs. Porter“, unterbrach Victoria sie. „Mein Mann war ein guter Gatte, und ich vermisse ihn wirklich sehr.“ Die Frau lächelte einfältig. ,Ja ... das sieht man“, meinte sie und entlockte damit ihrer Nachbarin ein boshaftes Kichern. „Normalerweise ... unter taktvollen Menschen ... ist es ungewöhnlich, so schnell wieder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Aber auf dem Land sind die Sitten sicher anders. Das muss man wohl akzeptieren ...“
„Auch in Hertfordshire besitzt man Feingefühl, Mrs. Porter“, schnitt Victoria ihr das Wort ab. „Auch wir halten die Erinnerung an die Menschen, die wir lieben, hoch. Mein Mann legte testamentarisch fest, dass
ich nach seinem Tod weder Schwarz tragen noch mich vom gesellschaftlichen Leben zurückziehen solle. Ich achte den Wunsch meines Mannes mehr als das Verständnis, das fremde Menschen von Etikette haben.“ Mrs. Porters Kinn zitterte, ihre Nachbarin bekam den Mund nicht zu, und Emma kicherte in ihre Teetasse.
„Lord Courtenay war ganz bestimmt von Ihren hochfliegenden Idealen angetan, als Sie ihn letztlich besuchten“, zischte Mrs. Porter wütend.
Diese Frau muss endlich zum Schweigen gebracht werden, dachte Victoria weiß vor Zorn. „Ganz recht, Mrs. Porter. Um Ihre Neugier zu stillen, darf ich Ihnen mitteilen, dass mein verstorbener Mann und Lord Courtenay verwandt waren.“
Mrs. Porter schnappte nach Luft. „Verwandt... wirklich?“ „Wirklich!“ bestätigte Emma. „Sie können Lord Courtenay ja selbst fragen, Mrs. Porter.“ Demonstrativ blickte Emma an den beiden alten Klatschbasen vorbei. Die sahen sich fragend an, drehten fast gleichzeitig den Kopf und stießen mit dem Federschmuck zusammen, als sie neugierig über die Rückenlehne des Sofas schauten.
Begleitet von Moira Blair und ihrer jüngeren Schwester Daphne betrat David Hardinge den Salon.
„Wahrhaftig“, flüsterte Mrs. Porter ihrer Freundin zu, und es sah schon ein wenig lächerlich aus, wie die beiden schwergewichtigen Damen gleichzeitig versuchten, sich hochzuhieven.
Ganz sicher hat man David Hardinge nicht erwartet, schloss Victoria aus den erstaunten Mienenspielen der Umstehenden. Hätte sie gewusst, dass ein erfolgreicher Bankier und seine Frau einen gelangweilten reichen Adeligen von seinen ausgefallenen Zerstreuungen abhalten konnten, wäre Victoria in Rosemary House geblieben. Ihr Herz klopfte aufgeregt. Sie hatte gehofft, ihm nie wieder zu begegnen. Es gab nichts, was sie sich noch zu sagen hatten.
David schaute sich suchend um. Victoria wandte sich wütend ab. „Die Blairs wundem sich bestimmt, wieso er sie mit seiner Anwesenheit ehrt“, witzelte Emma. „Am liebsten würde ich sie aufklären.“
„Gibt es eine Terrasse, Emma? Mir ist so warm.“
„Komm, die Blairs haben ein kleines Gewächshaus“, flüsterte Emma und drückte verständnisvoll Victorias Hand. „Überlassen wir den einfältigen Weibern diesen verrufenen Viscount und seinen liederlichen Freund.“
Gereizt sah David, wie sich seine schwarzhaarige Schöne im lavendelblauen
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