Herz in Not
Victoria sollte zappeln ... Er war sicher, dass sie zur Einsicht kommen und ihn vor ihrer Abreise noch einmal aufsuchen würde.
„Klar, er bereut es bereits. Aber jetzt lässt du ihn zappeln.“
„Was hast du gesagt, Tante Matty?“ Victoria nahm der Zofe den Schildpattkamm aus der Hand. „Danke, Beryl. Sie können jetzt schlafen gehen.“
Das Mädchen knickste höflich und verließ das Schlafzimmer, das Victoria und Matilda teilten.
„Viscount Courtenays Vorschlag. Lass ihn eine Weile schmoren ... tu so, als müsstest du überlegen ... ob du seine Entschuldigung annimmst.“
Victoria bürstete ihr langes Haar. „Es gibt nichts zu akzeptieren, Tante. Weder einen Vorschlag noch eine Entschuldigung. Er ist ein eingeschworener Junggeselle - und dafür muss er sich ja wohl kaum entschuldigen.“
„Margaret hat mir erzählt, dass er sich selten in so konventionellen Kreisen aufgehalten hat wie in den letzen Tagen. Ganz offensichtlich sucht er deine Nähe. In seinem Klub hat er sogar verlauten lassen, dass er ein besonderes Interesse an deinem Wohlergehen hat.“
„So?“ Victoria strich sich empört eine Locke aus dem Gesicht.
„Laut Frederick schienen die Gentlemen bei Watier’s sofort zu verstehen“, wusste Matilda zu berichten. „Er ließ sie wissen, dass er ältere Rechte an dir hat.“ Sie machte eine verächtliche Handbewegung. „Ach, ich mag ihn nicht. Aber dieser Baron du Quesne, der ist ein ganz sympathischer Bursche und auch nicht unvermögend ...“
Victoria kochte vor Wut. Bei Davids Lebenswandel wusste jeder, was es hieß, wenn er ein besonderes Interesse an ihr hatte. Sie schlug die Hände vors Gesicht. Hinterhältig hatte er ihr alle weiteren respektablen Chancen verdorben. Sie sah sich schon als Gesprächsthema in allen Londoner Herren-Klubs ... stellte sich vor, wie man über sie lachen, sie anstarren, wie die Frauen sie verachten würden. Und die liebe einfältige Tante Matty, der sie David Hardinges Konditionen verheimlicht hatte, glaubte, er habe ehrenhafte Absichten!
Was bin ich doch für eine Närrin, schalt Victoria sich. Er war und blieb ein Schürzenjäger. Ein paar kluge Worte und ein meisterhafter Kuss, und schon bin ich seinen Verlockungen erlegen. Das alles bedeutete ihm nichts. Ein kleiner Flirt am Anfang - so verführte er bestimmt alle seine zukünftigen Mätressen.
„Wenn er dir einen Antrag macht...“
„Er wird mir keinen Antrag machen!“ unterbrach Victoria ihre Tante wütend. „Du hast einmal Andeutungen gemacht über seine frivolen Geschichten mit wenig damenhaften Freundinnen ... Nun ... eigentlich wollte ich es dir nicht erzählen ... er hat mir angeboten, in ihren Stand einzutreten. Nur deshalb schenkt er mir Aufmerksamkeit.“
„Du sollst ihm nackt bei Tisch servieren?“ Entsetzt sank Matilda auf die Bettkante.
„Wie bitte?“ flüsterte Victoria fassungslos. „Besser, du erzählst mir die ganze Geschichte. Wer weiß, was er für mich geplant hat.“
„Ach ... vermutlich ist es weit übertrieben ...“
„Nackt bei Tisch servieren? Eine seiner Mätressen?“
„Nicht eine ... drei! Und noch nicht seine Mätressen ... sondern An-
Wärterinnen“, verriet Matilda zögernd. „In einem dieser fragwürdigen Salons buhlten diese Frauenzimmer um seine Aufmerksamkeit. Es heißt, eine der Aspirantinnen sei sogar eine Countess gewesen. Jede der drei Rivalinnen behauptete, sie habe eine bessere Figur als die andere und wollte es ihm auf diese Art beweisen ... zum Gaudi aller anwesenden Gentlemen.“ Victoria sah ihre Tante entgeistert an.
„Und welche hat er gewählt?“ fragte sie mit zitternder Stimme. „Die Countess? Oder alle drei?“
„Keine, soweit ich weiß. Er verließ das Etablissement mit einer jungen Dame, die neu in dem ... Gewerbe war“, erklärte Matilda zögernd. „Es tut mir Leid, Victoria, dass du es nun doch noch erfahren hast...“ „Wieso?“ Victoria schwankte zwischen einem Wutausbruch und einem hysterischen Lachanfall. „Wenn er mich hätte heiraten wollen, wäre es dann akzeptabel gewesen? Nein, dann wäre es noch schamloser!“ Wütend warf sie ihre Haarbürste aufs Bett. „Ach, wäre ich doch in Hartfield geblieben! Idiotisch anzunehmen, unsere Probleme ließen sich auf diese Weise lösen.“
„Nach Emmas Ball reisen wir sofort ab.“ Tröstend nahm Matilda ihre Nichte in den Arm. „Verzeih, dass ich dich überredet habe, mich zu begleiten. Der Gedanke, dass man dich so verletzt...“
Sachte strich Victoria über
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