Herz in Not
Sekretär die Korrespondenz. Ich kenne Courtenays ungewöhnliche Handschrift von den Geschäftspapieren, die er unterschrieben hat.“
„Aha“, war Victorias eisiger Kommentar. „Die Eilpost ist gerade erst gebracht worden.“ Sie schob ihren Sessel zurück und stand auf. „Ich hoffe, ich habe jetzt Ruhe, sie zu lesen.“
Beresford ignorierte diesen mehr als deutlichen Rauswurf. Nachdenklich sah er Victoria an. „Vielleicht war es etwas voreilig von mir anzunehmen, der Viscount ... hm ... zögere mit der Schuldenbegleichung. Doch nun stelle ich fest, dass Sie es sind, Mrs. Hart, die die Vereinbarung nicht einhält. Der Viscount scheint sehr tolerant... äußerst ungewöhnlich ... dass er Ihnen so viel Zeit lässt.“
Victoria wurde rot, dennoch wich sie seinem kritischen Blick nicht aus. „Da Sie für den Viscount vermitteln, nehme ich an, Mr. Beresford, dass Sie Ihren Heiratsantrag zurückziehen.“
Er machte ein abwertende Geste. „Selbstverständlich, Mrs. Hart! Das wäre ja wohl auch nicht mehr in Ihrem Interesse. Mit Lord Courtenay könnte ich nie konkurrieren. Er ist schließlich einer der reichsten Männer im Land.“ Nachdenklich schweigend sah er auf ihren Busen. „Vielleicht ... wenn Sie nach einiger Zeit den Wunsch haben, nach Hertfordshire zurückzukehren ... nun ... dann könnte man ja über eine Beziehung nachdenken ...“
Victoria holte tief Luft und schluckte ihre wütende Antwort hinunter. „Da sollten Sie aber viel Geduld haben, Mr. Beresford“, wies sie ihn stattdessen mit eisiger Freundlichkeit zurecht. „In London stehen die Gentlemen Schlange nach den Verflossenen des Viscounts. Es kann also lange dauern, bis Sie an der Reihe sind.“ Dann nahm sie ihre Briefe und ging damit zum Fenster. „Guten Tag, Mr. Beresford.“ Erst als sie hörte, wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, riss sie Davids Brief in kleine Stücke.
Ein leichter Windhauch bewegte die Vorhänge und brachte die Papierschnitzel durcheinander. Vorsichtig schob Victoria sie wieder zusammen. Die Angelegenheit wird geregelt, wenn du nach London kommst, lautete die lapidare Nachricht, sonst nichts ... kein Gruß ... keine Unterschrift. Victoria sammelte die Schnitzel ein und warf sie ins Feuer. Dann ging sie, um nach ihrem Vater zu sehen.
„Bringst du mir noch ein Geschenk?“ fragte der alte Mann.
Victoria setzte sich an sein Bett und nahm seine Hand. „Sicher“, versprach sie. „Wieder Pralinen oder diesmal etwas anderes?“
Er zog seine Hand zurück und zupfte ungeduldig an der Bettdecke. „Mehr! Matilda hat bestimmt davon genommen. Ich habe nur ein oder zwei bekommen“, beschwerte er sich. „Wo bleibt Samuel denn mit meiner Milch?“
Victoria sah auf die Tasse auf dem Nachttisch. „Ganz ruhig, Vater. Samuel vergisst deine Milch nie.“
„Ich werde noch einmal nach London fahren müssen, Tante Matty“, eröffnete Victoria einige Minuten später ihrer Tante.
Matilda drehte sich abrupt um und starrte ihre Nichte einen Moment lang ungläubig an. Dann lächelte sie und fuhr fort, ihr dünnes graues Haar zu bürsten. „Sicher freust du dich, Emma wieder zu sehen.“
„Wahrscheinlich werde ich Emma nicht treffen“, sagte Victoria leise.
„London ist eine beschwingte, fröhliche Stadt. Ich wäre gerne noch dort geblieben, aber dein Vater braucht mich, und die Dienstboten benötigen auch Aufsicht, während du nicht hier bist.“ Matilda ging mit der Schande ihrer Nichte auf ihre ganz eigene Art um ... sie lehnte es einfach ab, darüber zu sprechen. Aber als sie sich umwandte, sah Victoria, dass sie weinte. „Ich ... ich werde dich immer lieben, Victoria ... egal was passiert.“
Leise schloss Victoria die Tür hinter sich und ging in ihr Zimmer, um einen Brief zu schreiben.
Victoria strich über das kostbare Polster. Noch nie war sie in einer so luxuriösen Kutsche gereist: weiche hellgelbe Lederpolster, vor den Fenstern Vorhänge aus blauem Leder. Blau-gold ist auch die Livree der Dienerschaft am Beauchamp Place, erinnerte sie sich. Doch David schien kein Aufsehen von ihrer Anreise machen zu wollen. Die Kutsche trug kein Wappen, die Kleidung von Kutscher und Lakai war dezent und unauffällig.
Victoria lehnte den Kopf gegen das Polster und fragte sich, wie viele
Frauen schon vor ihr hier gesessen hatten. Wie viele Blonde ... Brünette ... Rothaarige waren so in fremde Häuser gefahren worden, um ihrem Herrn Freude zu bereiten? Hatten sie geweint, je näher sie ihrem schicksalhaften Ziel
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