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Herz ist Trumpf

Herz ist Trumpf

Titel: Herz ist Trumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MIRANDA JARRETT
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drahtig war –, und obwohl seine Kleidung ebenso schmutzig und abgerissen aussah wie die der Bettler draußen, hatte er sich wenigstens die Hände gewaschen. Mit seiner entwaffnenden Dreistigkeit und dem Antlitz eines Chorknaben war er der geborene Schlingel, und Guilford mochte ihn auf Anhieb.
    „Ich ess sogar mit Absicht, Madam“, verkündete Billy zwischen zwei Bissen. „Daran ist aber nix frech.“
    „Wenn die Dame sagt, du bist frech, dann bist du es auch, mein Junge.“ Guilford musste ebenfalls lachen. Welch eigenartiger Zufall, dass er vorhin noch mit Amariah über seine Kindheit gesprochen hatte. Dieser kleine Lümmel schien ihm aus dem gleichen Holz geschnitzt wie er selber in diesem Alter. „Ich weiß nämlich aus meiner eigenen traurigen Erfahrung, dass es nicht klug ist, Miss Penny zu widersprechen“, setzte er verschwörerisch hinzu.
    „Das glaub ich nich, Sir.“ Der Junge sah ihn von der Seite an. „Miss Penny is ein Engel an Freundlichkeit und Vergebung, sogar zu mir.“
    „Dann solltest du dein Glück nicht aufs Spiel setzen.“ Guilford machte eine ernste Miene. „Am besten, du nimmst den Hut ab und bittest sie um Verzeihung.“ Ehe der Junge reagieren konnte, hatte Guilford die Hand ausgestreckt und ihm den Hut vom Kopf gezogen.
    Amariah keuchte auf. „Bitte nicht, Euer Gnaden!“
    Ihre Warnung kam zu spät. Guilford stand da wie erstarrt und begriff nur langsam, dass er gerade einen verhängnisvollen Fehler gemacht hatte.
    Auch der Junge rührte sich nicht. Er zuckte nicht einmal zusammen, sondern erwiderte trotzig den entsetzten Blick, den Guilford nicht von dem abzuwenden vermochte, was die breite Hutkrempe verborgen hatte. Wo ein zweites, strahlend blaues Auge hätte sein sollen, gab es nur grotesk zernarbte, stramme Haut, die wie geschmolzenes Wachs über der leeren Augenhöhle lag.
    Der Junge streckte Guilford seine offene Hand entgegen. „Das macht dann ’ne halbe Krone, Sir. Ich lass mich von keinem umsonst anstarren, und für Angeber wie Sie kostet es etwas mehr.“
    „Billy“, mischte Amariah sich ein. „Der Duke of Guilford ist kein Angeber, und du musst ihn Euer Gnaden nennen. Man darf Höhergestellten gegenüber nicht so respektlos sein.“ Sie nahm Guilford Billys Hut ab und setzte ihn dem Jungen wieder im gleichen schiefen Winkel wie vorher auf den Kopf.
    „Vielleicht is er der Respektlose, wenn er mich anstarrt, als wär ich das Hässlichste, was er je gesehen hat.“ Billy zog den Hut vorsichtig über seine Narben.
    „Ich habe nie behauptet, du wärest hässlich, mein Junge“, protestierte Guilford.
    „Sie brauchten es nicht laut zu sagen“, erwiderte Billy voller Bitterkeit. „Ich hab’s in Ihren Augen gesehen. In beiden.“
    Voller Bedauern trat Guilford auf den Jungen zu. „Es tut mir leid, Billy …“
    „Lassen Sie mich in Ruhe, Mann.“ Billy drehte sich um und rannte hinaus.
    „Warum haben Sie das getan, Euer Gnaden?“ Amariah sah ihn anklagend an.
    Guilford zuckte hilflos mit den Schultern. „Woher zum Teufel sollte ich von seinen Narben wissen?“
    Sie mussten einen Schritt zurücktreten, da Reverend Potter die Türen geöffnet hatte und die Bettler hereinströmten. „Dieser Waisenjunge hat ein so schrecklich entstelltes Gesicht, weil er als Kleinkind in ein offenes Kochfeuer gefallen ist“, erklärte Amariah mit gesenkter Stimme. „Haben Sie wirklich angenommen, er würde Ihnen diesen Unsinn, dass er nicht hässlich ist, glauben?“
    „Das war kein Unsinn.“ Guilford dachte daran, dass ihm der Junge wie ein Chorknabe erschienen war, bevor er die Narben gesehen hatte. „Was ich sagte, war mein voller Ernst.“
    „Wie soll er das einem so gut aussehenden, perfekten Mann wie Ihnen abnehmen? Ich gehe ihm nach, bevor wir ihn noch für immer verlieren.“
    „Nein, lassen Sie mich das tun.“ Guilford hielt Amariah am Ärmel fest. „Ich habe den Schaden angerichtet, also werde ich auch versuchen, die Sache wieder in Ordnung zu bringen.“
    Er drängte sich zwischen den Bettlern hindurch und trat durch die Tür, durch die Billy verschwunden war. Sie führte auf einen Hinterhof hinaus. Guilford sah sich um und bemerkte, dass das Hoftor nur angelehnt war. Der Junge musste sich in das Labyrinth von Straßen und Gassen dieser Gegend geflüchtet haben.
    Aber Guilford hatte nicht mit der gewaltigen Anziehungskraft seiner edlen Pferde gerechnet. Als er um die Kirche herumgegangen war, fand er Billy mit den Händen in den Taschen seines viel zu

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