Herz ueber Bord
sie erschöpft vom Streiten davonging. Ich duckte mich hinter meiner Palme, als sie schluchzend an mir vorbeistapfte.
Tag 4: la romana
Am nächsten Morgen fand ich im Briefkasten, der zu meiner Kabine gehörte, wie jeden Tag einen Newsletter mit einigen Informationen.
Aktueller Standort: La Romana, Dominikanische Republik. Amtssprache: Spanisch. Luftfeuchtigkeit: 76 Prozent. Sicht: unbegrenzt. Temperatur: höchstens 33°C, mindestens 23°C. Sonnenaufgang: 06.33 Uhr. Sonnenuntergang: 18.05 Uhr. Kurzinfo: Die Dominikanische Republik ist ein auf der Insel Hispaniola in den GroÃen Antillen gelegener Inselstaat.
Ich lieà den Brief sinken und griff nach einem zweiten, der von meiner Mutter stammte. Sie hatte es sich von Beginn der Reise an zur Gewohnheit gemacht, mir eine private Guten-Morgen-Liste zukommen zu lassen. Darauf las ich, dass La Romana die viertgröÃte Stadt war und an der Südküste lag. Gegenüber der Insel Catalina. Zusätzlich teilte Mum mir mit, dass es in der Nähe die private Villen-Siedlung Casa del Campo gab, wo Michael Jackson und Lisa Marie Presley sich damals das Ja-Wort gegeben hatten. Ich legte die beiden Nachrichten auf meinen Schreibtisch und ging ins Bad, um mir die Zähne zu putzen.
Als ich später auf dem Weg zur Crewmesse war, traf ich Kapitän Troller.
»Hallo, Miss Asmussen. Darf ich Sie heute Abend an den Kapitänstisch bitten?«, begrüÃte er mich fast ein wenig schüchtern.
Ãberrascht blickte ich ihn an. Wie kam der Kapitän darauf, gerade mich an seinen Tisch zu bitten? Klar, er kannte meine Mutter von früher. Aber wir hatten â bis auf die unangenehme Situation in der Crewmesse â noch nichts miteinander zu tun gehabt und als Runner stand ich wohl eher am unteren Ende der Nahrungskette.
Gleichzeitig musste ich an die drängenden Fragen denken, die ich mir zu ihm und Mum stellte, und das ungute Gefühl kehrte mit einer Heftigkeit zurück, die mich erschreckte. Vor lauter Herumgrübeln wegen Brian und Natou war alles andere komplett in den Hintergrund getreten.
»Ein Essen am Kapitänstisch lasse ich mir bestimmt nicht entgehen«, fing ich mich schlieÃlich.
»Schön. Dann hole ich Sie um kurz vor acht ab. Falls Sie Lust haben, stehe ich natürlich auch für eine Brückenführung zur Verfügung. Wir haben hier an Bord eine offene Brücke, keine streng abgeschirmte Kommandozentrale. AuÃer während der Ansteuerung. Da ist höchste Aufmerksamkeit geboten und Passagiere würden nur stören.«
Jetzt auch noch eine Führung? Das wurde ja immer merkwürdiger ⦠Trotzdem nickte ich zustimmend, und als der Käptân sich schon zum Gehen abwenden wollte, platzte es plötzlich aus mir heraus: »Was glauben Sie, wie meine Mutter Ihre Einladung aufnehmen wird, Käptân?« Ups, das war jetzt vielleicht doch ein bisschen direkt gewesen!
Trollers Augenbrauen schoben sich zusammen und lieÃen ihn einen Moment verstimmt aussehen. »Nun«, meinte er dann, »ich denke, Sie sind alt genug, um selbst zu entscheiden. Deshalb mache ich mir diesbezüglich keine Gedanken. Also, bis heute Abend, Miss Asmussen. Ich hole Sie an Ihrer Kabine ab.« Damit wandte er sich endgültig ab und lieà mich etwas verdattert stehen.
Nach dem Frühstück, bei dem ich mir weiterhin den Kopf über Troller und seine unerwartete Einladung zerbrochen hatte, steuerte ich noch einmal meine Kabine an. In Hamburg war es früher Nachmittag. Vielleicht hatte Inka noch ein bisschen Zeit für mich.
Ich fuhr den PC hoch und gab ihren Skypenamen ein. Ich konnte es kaum erwarten, ihr von den neuesten Entwicklungen zu erzählen und gleichzeitig zu erfahren, was es an der Sven-Front Neues gab. Vielleicht hatten die beiden inzwischen miteinander gesprochen? Es dauerte nicht lange, bis Inka abhob.
»Katja! Meine Güte, bin ich froh, dich zu hören«, begrüÃte sie mich stürmisch. »Ich mach mir solche Sorgen deinetwegen. Was ist mit deinem Liebeskummer?« Ich zuckte kurz mit den Schultern, als Inka schon mit einer anderen Neuigkeit herausplatzte. »Stell dir vor: Sven ist ins Krankenhaus eingewiesen worden.«
»Eins muss man dir lassen, du lässt dich nicht lange bitten und rückst gleich mit der wichtigsten Nachricht heraus.« Ich sah Inka dabei zu, wie sie ein Schokoladenosterei vom Papier befreite und hineinbiss.
»Er hat eine
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