Herzblut 02 - Stärker als der Tod
breitete sich in mir aus und erstickte meine Wut. Dumme Tränen folgten ihr auf dem Fuß. Sie brannten in meinen Augen wie ein Gift, das mein Körper nicht verarbeiten konnte. Sie rannen mir schneller über die Wangen, als ich sie wegwischen konnte.
Ich schämte mich so, vor Tristan zu weinen, dass die Tränen nur noch stärker flossen.
„Wollen Sie nicht auf die Toilette gehen und sich beruhigen?“ Mrs Knowles’ Frage klang eher wie ein Befehl.
Meine Fangzähne hatten sich noch nicht zurückgezogen. Also nickte ich nur stumm und verschwand so schnell, wie ich es wagte. Ich wollte ja nicht als Vampirin auffallen.
Im Bad wischte ich mir mit Toilettenpapier die verlaufene Wimperntusche aus dem Gesicht. Danach stand ich nur da und klammerte mich an den Rand des Waschbeckens.
Wieso hatte Tristan so eine Wirkung auf mich? Niemand sonst konnte mich so leicht zum Lachen oder Weinen bringen wie er. Erst musste ich mich zusammenreißen, damit ich wegen ihm nicht laut im Unterricht lachte, und im nächsten Moment hätte ich ihn mit bloßen Händen erwürgen können! Nicht mal Dylan und die Zickenzwillinge konnten mich so auf die Palme bringen wie Tristan.
Ob das Terrortrio bald wieder mitmischen würde? Abgesehen von dem Blut an meinem Schließfach hatten sie schon länger nichts unternommen. Hatten sie genug davon, mich zu nerven? Oder hatten ihre Eltern ihnen gesagt, sie sollten mich in Ruhe lassen?
Vielleicht wussten sie auch, dass Tristan für sie weitermachte.
Wenn das der Grund war, hätten sie es sich nicht besser wünschen können. Egal, wie gut ich mich gegen ihn wappnete, Tristan fand immer wieder meine Schwachstellen.
Und was sollten die ganzen Bemerkungen über „mich und Ron“ und über Ron als meinem „kleinen Liebling“? Er benahm sich, als dächte er tatsächlich, Ron und ich wären zusammen.
Und selbst wenn, wieso sollte das Tristan kümmern?
Er hatte jetzt Bethany, und jeder an der ganzen Schule konnte sehen, dass sie bis über beide Ohren in ihn verliebt war. Wieso konnte er nicht einfach mit ihr glücklich werden und aufhören, mich zu bestrafen? Unsere Trennung war schon Monate her. Und ganz offensichtlich liebte er mich nicht mehr. Sonst wäre er nicht so versessen darauf, mich unglücklich zu machen.
Das musste aufhören, egal, warum er sich so benahm. Der Vampirrat und der Clann würden sich nicht gerade freuen, wenn ich imUnterricht meine Fangzähne bleckte. Wenn Tristan mir weiter so zusetzte, würde ich ihn verzaubern müssen oder mich zu Hause unterrichten lassen. Lange konnte ich das nicht mehr ertragen.
Ich ging erst zurück, als es zur Pause läutete. Ich dachte, der Klassenraum würde leer sein, aber das war er nicht. Sowohl Ron als auch Tristan warteten auf mich.
„Tut mir leid, Sav“, murmelte Tristan. Er stand im Gang zwischen unseren Tischen, hatte sich vorgebeugt und mit den Händen an unseren Stuhllehnen abgestützt. Er konnte mich nicht ansehen. Und ich konnte ausnahmsweise nicht seine Gedanken hören.
Meine Fangzähne hatten sich auf der Toilette zurückgezogen. Trotzdem nickte ich lieber nur knapp, bevor ich meine Bücher nahm und mit Ron ging. Hätte ich etwas zu Tristan gesagt, wäre nichts Nettes dabei herausgekommen.
Zum Glück war heute ein Tag, an dem wir lernen wollten, und ich konnte mit Ron in die Bücherei flüchten. Meine Hände zitterten, als ich im Englischbuch blätterte. Vor meinen Augen verschwamm alles, ich konnte den Text nicht lesen.
Dieses Mal war Tristan echt zu weit gegangen. Für seine Prügeleien mit Dylan und Greg hatte es ja noch irgendwie einen Grund gegeben. Aber dass er Ron zusammenschlagen wollte, nur weil er dachte, wir wären zusammen?
Wie war er überhaupt darauf gekommen? Alle anderen wussten, dass Ron und ich nur Freunde waren, mehr nicht. Konnte Tristan nicht mal rumfragen, statt voreilige Schlüsse zu ziehen? Da konnte er genauso gut auf Anne, Carrie und Michelle eifersüchtig sein.
Das war doch alles albern. Tristan benahm sich völlig unvernünftig.
„Willst du darüber reden?“ Rons Frage schreckte mich aus meinen Gedanken auf.
„Worüber?“
„Ach, keine Ahnung. Wie wäre es damit, was Tristan gedacht hat, um dich im Unterricht so aus der Fassung zu bringen?“
„Das ist … Warte mal, was meinst du damit, was Tristan gedacht hat?“
„Nachfahren können doch angeblich die Gedanken von anderenNachfahren lesen. Weil er heute nichts laut gesagt hat, dachte ich, ihr hättet euch so unterhalten.“
Ich kniff
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