Herzblut 02 - Stärker als der Tod
sterbende Großmutter in den Armen gehalten hatte, während sich wohl auch Tränen unter die Regentropfen auf ihren Wangen mischten.
Aber an dem, was heute in Englisch passiert war, war nichts zu deuteln: Savannah war in Tränen ausgebrochen. Wegen mir.
Damit war ich offiziell der größte Arsch in Osttexas.
Was stimmte nicht mit mir? In letzter Zeit war ich ständig stinksauer. Und es wurde einfach nicht besser, nicht mal durch Football.
„Tristan?“
„Hmm?“ Ich reagierte rein aus Gewohnheit.
„Hast du überhaupt zugehört?“ Bethanys Tonfall ließ mich endlich aufhorchen. Sie klang ein bisschen sauer.
„Oh. Tut mir leid. Was hast du gesagt?“
Sie erzählte irgendwas von Kostümen.
„Toll“, nuschelte ich.
Ob Ron in der Bücherei Savannah gerade im Arm hielt und sie vielleicht sogar küsste, um sie zu trösten? Wahrscheinlich. Ich hätte das jedenfalls gemacht. Und sie war nicht in der Cafeteria. Wo hätte sie sein sollen, wenn nicht mit ihm in der Bücherei?
Bethany plapperte etwas über Kostüme für den Ball, zu dem ich sie begleiten wollte. Sie hatte sich beschwert, dass sie keine Verabredung dafür hatte, und um nett zu sein, hatte ich mich damit einverstanden erklärt, ihren Begleiter zu spielen.
Letztes Jahr hatten Savannah und ich tagelang überlegt, welche Kostüme zueinanderpassen würden, ohne dass andere es merkten, und uns dabei ständig aufgezogen. Als wir einmal Kostüme anprobierten, war mir zum ersten Mal „Ich liebe dich“ herausgerutscht.Ich war vor Nervosität fast gestorben, bis sie reagierte.
Und dann hatte sie mich mit ihrem süßen, wunderschönen Lächeln angesehen und diese drei kleinen Wörter erwidert …
Stille. Ich sah Bethany an, die mich anfunkelte.
„Was ist?“, fragte ich.
„Ich habe gerade gesagt, dass ich die Kostüme als Eilbestellung liefern lasse. Vergiss bitte nicht, es anzuprobieren und mir zu sagen, ob es passt, wenn deins heute oder morgen ankommt, ja?“
„Klar“, stimmte ich zu und trank einen langen Schluck Limo.
Ich blickte quer durch die Cafeteria zu dem Platz, an dem Savannah normalerweise bei ihren Freundinnen gesessen hätte. Den leeren Platz neben Anne zu sehen war wie ein Schwinger in die Magengrube.
Anne lachte mit den anderen Mädchen am Tisch über etwas. Es musste schön sein, keine Ahnung zu haben.
Wie konnte Anne nicht wissen, was zwischen ihrer besten Freundin und ihrem Ex lief?
Bethany sagte etwas über ein Spiel.
„Was ist mit dem Spiel?“, grummelte ich und starrte weiter auf den leeren Platz neben Anne.
Als Bethany empört schnaubte, schüttelte ich die Gedanken endlich ab. Ich lächelte sie verlegen an, und sie beruhigte sich.
„Ich habe gefragt, ob du mich immer noch Freitag nach dem Spiel nach Hause fahren willst“, wiederholte sie.
„Ach so. Klar.“ Diese Woche spielten wir auswärts, gegen Pine Tree oder so. Egal, gegen wen, jedenfalls würden wir mit unseren Teams im Bus zurück zur Schule fahren. Doch von dort brauchte Bethany eine Mitfahrgelegenheit, und offenbar hatte ich irgendwann angeboten, sie nach Hause zu fahren.
Die Schulglocke klingelte. Bevor Bethany loslief, drückte sie mir lächelnd einen Kuss auf die Wange.
Ich machte mich langsamer auf den Weg. Ob es schlimm wäre, wenn ich Sav mit einem Entliebungszauber belegte, damit sie Ron vergaß? Ihre Beziehung zu ihm zeigte doch deutlich, dass sie den Verstand verloren hatte. Wenn ich die beiden auseinanderbrachte, bevor Anne etwas mitbekam, konnte ich vielleicht die Freundschaftzwischen Sav und Anne retten.
Als ich den Hauptflur betrat, seufzte ich tief. Nein, ich sollte mich lieber aus ihrem vermasselten Liebesleben heraushalten. Wenn sie ihre Freundschaften unbedingt kaputt machen wollte, konnte ich nichts dagegen tun.
Savannah
Normalerweise konnte ich das Gefühl, alle würden mich beobachten, als vampirtypischen Verfolgungswahn abtun. Aber Mittwoch früh beim Charmers-Training und danach in der zweiten Stunde in Chemie starrten mich wirklich alle an und tuschelten. Es hatte sich wohl rumgesprochen, dass ich gestern in Englisch ausgeflippt war. Also würde ich mich in den nächsten Tagen besonders anstrengen müssen, um die Gedanken der anderen auszublenden.
In Chemie beugte sich Ron zu mir und flüsterte: „Kommt es mir nur so vor, oder reden heute alle über uns?“
Ich schüttelte zähneknirschend den Kopf. „Das kommt dir nur so vor. Ich glaube, sie haben das von gestern gehört.“
Er zog die Augenbrauen hoch. „Und das
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