Herzblut 02 - Stärker als der Tod
hast.“ Michelle zog besorgt die Augenbrauen zusammen.
Hinter ihr zeigten Anne und Carrie stumm mit dem Finger auf sie. Anne formte mit den Lippen: „Tut mir leid, wir konnten sie nicht davon abbringen.“
Ich musste die Lippen zusammenpressen, um nicht zu lachen, Michelle sollte ja nicht glauben, ich würde sie auslachen. Als ich mich beruhigt hatte, schenkte ich Michelle mein erstes echtes Lächeln an diesem Tag. „Vielen, vielen Dank. Das ist großartig!“
Ich konnte ihn zwar trotzdem nicht essen, aber dass Michelle sich die Mühe gemacht hatte, so einen besonderen Kuchen für mich zu machen, weil sie dachte, ich würde ihn mögen, trieb mir die Tränen in die Augen.
„Oh! Nicht weinen, Sav.“ Michelle kam um den Tisch herum und drückte mich kurz. „Ehrlich, ich habe gestern Abend nur eine Stunde dafür gebraucht. Aber wir sollten uns mit dem Singen beeilen, bevor die Kerzen die Götterspeise schmelzen.“
Als wäre das das Signal gewesen, auf das alle gewartet hatten, sangen alle plötzlich lauthals los.
Dad stand hinten in der Ecke vor den Küchenschränken und beobachtete mich mit einem komischen Lächeln. Seine Mundwinkelzuckten, als würde er ein Lachen unterdrücken. Eigentlich wollte ich diese schräge Geburtstagsfeier für eine Halbvampirin, die wahrscheinlich nicht mal altern würde, überhaupt nicht witzig finden. Trotzdem perlte auch in mir auf einmal ein Lachen auf.
Vielleicht war eine Feier doch genau das, was ich brauchte.
Als sie mit dem Singen fertig waren, sagte Michelle: „Schnell, wünsch dir was!“
Und sofort landete ich nach diesem kurzen glücklichen Moment wieder auf dem Boden der Tatsachen.
Ich wusste genau, was ich wollte.
Ich wollte wieder mit Tristan zusammen sein, aber ohne Probleme. Ich wollte ganz offen seine Freundin sein, ohne Heimlichtuerei und ohne unsere Gefühle verstecken zu müssen. In den Pausen mit ihm durch die Schulflure gehen. Händchen halten. Ihn in der Öffentlichkeit küssen. Mit ihm essen gehen, ohne dass wir uns in einer Ecke verkriechen und die ganze Zeit beten mussten, dass uns niemand erkannte.
Und ich wollte, dass Nanna wieder lebte.
Nichts davon konnte ich haben. Wieso sollte ich es mir wünschen?
Ich schloss die Augen und pustete die Kerzen aus, ohne mir irgendetwas zu wünschen.
23. KAPITEL
M om verteilte an alle Schälchen mit „Götterspeisekuchen“. Mir gab sie nur eine halbe Portion. Als sie mir die Schale hinstellte, zwinkerte sie mir verständnisvoll zu.
„Und, Geburtstagskind, bist du bereit für deine Geschenke?“, fragte sie.
Michelle und Carrie sprangen auf und reichten mir die Geschenke an. Normalerweise ließ ich mir beim Auspacken gern Zeit und genoss die Spannung. Aber dieses Mal öffnete ich eins nach dem anderen und tat so, als wäre ich so darin vertieft, dass ich gar nicht zum Essen kam. Vor mir wuchs ein Berg aus Geschenkpapier an, der das unberührte Schälchen überwucherte. Als Mom das Geschenkpapier später wegräumte, schmuggelte sie das Schälchen mit und leerte es über dem Mülleimer.
Dad behauptete, er habe schon gegessen und sei immer noch satt. Er machte die ganze Zeit Fotos mit Moms Kameras, und später ging mir auf, dass er sich damit problemlos davor gedrückt hatte, selbst auf den Fotos aufzutauchen.
Vielleicht hätte ich mitschreiben sollen. An diesem Abend lieferte er wirklich den perfekten Grundkurs für unauffällige Vampire.
In den Gedanken der anderen konnte ich lesen, dass Dad Mom und den Mädels das Haus schon gezeigt hatte, bevor ich gekommen war. Sie waren ganz baff, weil es viel schöner war, als sie erwartet hatten. Anne hatte Carrie und Michelle erzählt, dass sie sich mit ihrer Mutter fast richtig gestritten hätte, damit sie dieses „bleiverseuchte Rattenloch“ überhaupt betreten durfte. Jetzt hatten sie ein ganz anderes Problem: Sie wollten sich nicht anmerken lassen, dass sie Dads neuestes Vorzeigeobjekt regelrecht einschüchterte, und sie hatten Angst, ich wäre jetzt so reich, dass ich mich nicht mehr mit ihnen abgeben wollte.
Ich musste mir ein Lachen verkneifen, und es fiel mir nicht leicht. Wenn sie gewusst hätten, welche Angst ich hatte, dass sie wegen meiner Familiengeheimnisse nicht mehr mit mir befreundet sein wollten …
Damit sie nicht länger so nervös waren, überredete ich nach dem Geschenkeauspacken Michelle, Carrie und Mom, mit ins frisch renovierte Wohnzimmer zu kommen und zu singen. Ich hatte in Michelles Gedanken schon gelesen, dass sie eine
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