Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)
zurückzuholen.
Erst erwiderte ich Annes Blick, dann Carries, schließlich Michelles. Jede riss dabei die Augen auf. Das wurde ja immer abgedrehter.
„Sieh mich mal an.“ Anne schlug den gleichen Befehlston an wie Dad am Samstag, was mich an mein verändertes Aussehen erinnerte. Und an die verrückten Familiengeheimnisse, die ich so schnell wie möglich vergessen wollte.
„Ach ja.“ Meine gute Laune kippte. „Ihr habt ja noch gar nicht mitbekommen, wie komisch ich aussehe.“ Jetzt würde Anne sagen, dass ich spinne und mir etwas einbilde, und dass ich wie immer aussehe.
Sie runzelte die Stirn. „Du siehst nicht komisch aus. Aber schon anders, das ganz sicher. Was hast du mit deinen Haaren angestellt? Sie sehen aus wie in einem Werbespot für Garnier. Hast du sie gefärbt? Sie sehen nicht mehr so orange aus. Und sie sind … fluffig.“
Oh. Also hatte ich mir die Veränderungen vielleicht doch nicht eingebildet.
Ich wurde rot, weil ich mir wie eine Zirkusattraktion vorkam. „Ich weiß, es ist seltsam. Aber ich habe wirklich nichts mit meinen Haaren gemacht.“
„Und deine Augen“, flüsterte Michelle.
Irgendwie erinnerte sie mich heute an ein nervöses Kaninchen. Als ich sie ansah, wich sie meinem Blick aus.
Ach Mist, richtig. Dad hatte gesagt, mein Blick könnte auf andere eine seltsame Wirkung ausüben. Nur nicht, welche Art von Wirkung. Er hätte mich vorwarnen können, dass mich meine Freundinnen wie eine Außerirdische behandeln würden, die an ihrem Tisch eine Bruchlandung hingelegt hatte.
„Was meinst du, Carrie?“ Während ich sie unverwandt ansah, ballte ich unter dem Tisch die Fäuste. In mir kämpfte Angst mit einem Hauch Neugier. Was genau sahen sie in meinen Augen?
Carrie war die Ruhigste, Coolste, Gelassenste von uns. Sie hatte den Verstand einer Wissenschaftlerin oder der Ärztin, die sie irgendwannwerden wollte. Von ihr bekam man praktische, objektive Antworten.
In den paar Sekunden, die ich ihren Blick erwiderte, drohte die ganze Panik des Wochenendes das bisschen Neugier zu ersticken. Vielleicht wollte ich es doch nicht wissen.
Dann sah ich es … auch Carrie riss ängstlich die Augen auf und blickte weg.
Verdammt. Und das war Dad zufolge wirklich eine Vampirgeschichte.
Es schnürte mir die Kehle zu, dass ich kaum Luft bekam. Der Lärm in der Cafeteria schwoll an, bis er in meinen Ohren wie das wütende Meer in einem Sturm klang. Gleichzeitig trieben zu viele verschiedene fremde Gefühle wie Wellen über meine Haut. Ich schlang die Arme um mich, um sie abzuwehren, aber es war vergeblich.
Entwickelte ich mich jetzt zu einer Vampirin?
„Komm, lass mich noch mal sehen.“ Dieses Mal klang Annes Bitte nicht mehr wie ein Befehl.
Plötzlich wollte ich ihrem Blick ausweichen. Ich wollte nicht beobachten müssen, wie meine Freundin mich ansah und Angst bekam. Vielleicht kam es allerdings nur darauf an, wie ich sie ansah, und ich musste mich einfach locker machen. Womöglich würden sie sich beruhigen, und es wäre halb so wild.
Ich ließ meinen Blick nach oben wandern, zuerst zu Annes Kinn, dann zu ihren Lippen und der Nase. Zögernd holte ich tief Luft, konzentrierte mich darauf, ruhig zu sein und möglichst beschwichtigende Gedanken in meinen Blick zu legen, und sah sie direkt an. Sie schnappte nach Luft.
So ein Dreck. Das funktionierte auch nicht. Ich blickte auf das Tablett mit meinem Essen, das ich nicht mehr wollte, während mir schwummrig wurde.
Nach einer Weile holte Anne tief Luft und sagte: „Schon gut, Sav. So sehr haben sich deine Augen gar nicht verändert, zumindest könnte ich nicht sagen, wie. Sie wirken nur irgendwie … krass.“
„Ja, genau“, stimmte Michelle zu. „So ähnlich hat mich meine Mutter angesehen, als ich letzten Monat aus Versehen den Sofatischkaputt gemacht habe. Als wollte sie mich umbringen.“
„Aber ich bin nicht böse!“, platzte es aus mir heraus. „Gerade war ich sogar noch ziemlich glücklich. Dieser Typ, der rübergekommen ist, Greg Stanwick, ist im dritten Jahr und spielt Fußball in der Auswahlmannschaft. Er hat sich aus heiterem Himmel vorgestellt, als wir beim Essen anstanden. Es war irgendwie komisch …“
„Komisch“ beschrieb nicht mal ansatzweise, was ich seit letzter Woche erlebt hatte. Und ich konnte nicht mit ihnen darüber reden. Wie in aller Welt sollten mir meine Freundinnen das glauben, geschweige denn es verstehen? Sie hassten den Clann. Michelle glaubte, Hexen würden kleine Tiere opfern, Carrie war zu
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