Herzblut - Gegen alle Regeln (German Edition)
Stock die Flurtür aufstieß. Aber wenigstens hatte mich die Panik nicht mehr fest im Griff. Vielleicht wurde doch keine große Sache daraus. Ich hatte einfach noch einen Kurs mit Tristan zusammen. Richtig? Nichts Romantisches. Ich verletzte damitganz sicher keine wichtigen Regeln. Ein paar Wochen lang konnte ich meine Gefühle bestimmt vor ihm verbergen.
Im oberen Flur war es dunkel. Durch die Fenster fiel gerade mal genug Licht, damit ich nirgendwo anstieß. Tristan war mir so nah auf den Fersen, dass er gegen mich stieß, als ich am Lichtschalter stehen blieb. Er legte die Hände an meine Taille, sicher aus Reflex.
„Uff.“ Seine Brust, die gegen meinen Hinterkopf stieß, fühlte sich wie eine Mauer an.
„Tut mir leid“, sagte er. Als er zurückwich, strichen seine Finger über meine Seiten.
Ich musste mich zusammenreißen, um nicht zu seufzen und klar zu denken. „Warte doch hier. Ich bin gleich wieder da.“
Mit zitternden Händen schloss ich den Tanzraum und die Bürotüren der Direktorin auf und schaltete in beiden Räumen das Licht an. Ich holte die tragbaren Boxen, den Player und die Trainertasche aus dem Büroschrank und kehrte zu Tristan zurück. Zu meiner Überraschung machte er ein finsteres Gesicht.
„Was ist, hast du Angst im Dunkeln?“, versuchte ich zu witzeln.
„Machst du das jeden Morgen?“
„Ja.“ Bevor ich über den Flur gehen konnte, nahm er mir die Lautsprecher ab. „Und abends mache ich das Gleiche in umgekehrter Reihenfolge. Abgesehen von den Eingangstüren, die werden von den Hausmeistern abgeschlossen.“
Auf dem Weg die Treppe hinunter fühlte ich mich mit der schweren Trainertasche, die bei jedem Schritt gegen meinen Oberschenkel prallte, so anziehend wie ein Packesel.
Tristan schwieg, bis wir draußen waren. „Begleiten dich sonst die anderen Betreuerinnen zur Sicherheit?“
„Du klingst genau wie ich an meinem ersten Tag bei den Charmers. Ich habe meine Chefbetreuerin fast das Gleiche gefragt, als sie noch die Ausrüstung geholt hat. Früher hatten wir drei Betreuerinnen plus die Chefin. Aber dann ist Amber, die Chefbetreuerin, weggezogen, und die beiden anderen aus dem zweiten Jahr mussten für den Rest der Saison als Tänzerinnen einspringen, weil sich zwei Mädchen verletzt hatten. Jetzt gibt es nur noch mich als neue Chefbetreuerin und zwei Mädchen aus dem ersten Jahr, die dasSchülerbüro an uns ausgeliehen hat.“
„Also machst du alles allein? Schließt morgens auf, bereitest alles vor, schließt abends wieder ab?“
Wir folgten der Betonrampe hinunter zur Straße, die auf dem Schulgelände den vorderen mit dem hinteren Parkplatz verband.
Ich zuckte mit den Schultern. „Irgendwer muss es ja machen, und die Direktorin hat schon genug damit zu tun, Tänze zu entwickeln, Musik zusammenzustellen, mit der Schulband an den Stücken und Choreografien für die Halbzeitpause zu arbeiten, das Training zu leiten …“
Er grummelte leise. Vermutlich lag ihm das frühe Aufstehen genauso wenig wie mir.
Am Fuß der Betonrampe folgten wir der Straße nach links, vorbei am Mathegebäude Richtung Sportplatz. Im zunehmenden Licht funkelte der Tau wie unzählige Diamanten auf dem Rasen, der sich rechts bis zum Wald zog. Der Anblick erinnerte mich an meinen Traum, in dem ich nachts auf einem Rasen gesessen hatte, neben mir genau der Junge, der jetzt auch bei mir war. Ich senkte den Kopf, damit er nicht sah, wie ich errötete.
Wir betraten den Sportplatz durch das Tor im Maschendrahtzaun und überquerten die weiche schwarze Laufbahn rund um den Rasen.
Obwohl das Training offiziell erst in zehn Minuten begann, versammelten sich die Charmers schon auf der Mitte des Feldes. Die Wartezeit nutzten sie für Dehnübungen. Und nicht mal um diese Uhrzeit waren sie leise. Jemand lachte so laut auf, dass in dem lichten Waldstreifen vor dem Zaun erschrocken Vögel aufflogen.
Morgenmenschen. Bah. Zur Stärkung nippte ich an meinem Tee. Als die ersten Reaktionen der Mädchen auf Tristans Anwesenheit kamen, verbarg ich ein Lächeln hinter meinem Thermobecher.
Es war seltsam faszinierend anzusehen, wie sich die Tänzerinnen veränderten. Ich wusste wirklich nicht, ob ich lachen oder die Augen verdrehen sollte. Sogar die Mädchen aus dem dritten Jahr stellten sich gerader hin und streckten die Brust raus.
Bethany lief mit einem fröhlichen Lächeln zu uns herüber. „Hallo, Tristan! Was machst du denn hier?“
Tristan lächelte mir kurz zu. „Komisch, das fragt mich heute
Weitere Kostenlose Bücher