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Herzen aus Asche

Herzen aus Asche

Titel: Herzen aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
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Unglück sein. Oder ist es immer noch wegen des Hauses?«
    »Nein, nein, weder noch.« Sie seufzte und rieb sich mit der Handfläche über das Gesicht. »Ich habe mich mittlerweile daran gewohnt.« Sie stieß ein kurzes Lachen aus. »Auch, wenn es seltsam klingt, dass man sich an Geisterhäuser gewöhnt.« Sie wandte den Kopf ab, denn sie wollte nicht, dass er die Tränen sah, die ihr in die Augen zu steigen drohten. Weshalb überfielen sie ausg erechnet jetzt Zweifel und Unsicherheit? Die Berührung seines Oberschenkels an ihrem versetzte sie gleichermaßen in Angst wie in freudige Erregung.
    »Ich habe mich heute mit meiner Mutter gestritten«, brachte sie schließlich hervor, und jäh wurde ihr bewusst, weshalb sie ihre Gefühle für ihn stets unterdrückte. »Sie weiß bis heute nicht, wo ich wohne. Ich fürchte, ich kann es nicht mehr lange vor ihr verbergen.« Langsam hob sie den Kopf, und sein verständnisvoller Blick jagte ihr ein Kribbeln in den Magen, als hätte man mit einem Stock in einen Ameisenhaufen gestochen. »Sie hasst es, wenn ich Kontakt zu Männern pflege.«
    Leifs Augenbrauen hoben sich. Mehrere Atemzüge lang sagte er gar nichts. Selbst in Amelies Ohren klang es unglaubwürdig und albern. Immerhin war sie den Kinderschuhen längst entwachsen.
    »Ich habe dich als selbstbewusste junge Frau kenne ngelernt, die sich durch nichts aus der Bahn werfen lässt. Die meisten hätten schon die Flucht ergriffen, wenn sie erfahren hätten, dass in diesem Haus Menschen gestorben sind. Du bist sogar dann noch geblieben, als sich Gegenstände vor deinen Augen in Wohlgefallen aufgelöst haben. Ich habe dich dafür bewundert, Amelie. Ich fürchte mich vor so vielen Dingen, doch du bist nicht vor deinen Ängsten davon gelaufen. Wie kann es sein, dass dich ein Streit mit deiner Mutter so verunsichert?« Seine Worte klangen keinesfalls anklagend, sondern zeugten von ehrlicher Sorge und Verwirrung. Amelie schluckte. Sie fühlte sich, als trage sie ein Korsett. Ihr fehlte die Luft zum Atmen.
    »Sie hat mich immer vor Männern gewarnt«, flüsterte sie kaum hörbar, denn sie traute ihrer Stimmer nicht mehr. »Schlechte Erfahrungen, weißt du? Ich möchte ihr nicht wehtun.«
    Sie zuckte unwillkürlich zusammen, als sie seine kühlen Finger an ihrer Wange spürte. »Du tust doch nichts Verbotenes! Möchtest du dein Leben lang einsam sein, weil deine Mutter es so möchte? Oh Amelie, ich bin schon so lange einsam, und manchmal wünsche ich mir, ich hätte nicht auf meine Mutter gehört.«
    Amelie berührte seine Hand, die noch immer über ihr Gesicht strich. »Weshalb? Hat sie dich auch vom anderen Geschlecht fernhalten wollen?« Ausgesprochen klangen die Worte noch weitaus kindischer als der bloße Gedanke daran.
    Ein zaghaftes Lächeln huschte über seine Züge, und Amelie bemerkte zum ersten Mal die zarten Lachfalten unter seinen Augen. »Nein, das nicht gerade.« Er seufzte und ließ den Blick durch den Raum schweifen, als müsste er mit sich ringen, wie viel er ihr offenbaren wollte. »Manchmal glaube ich, am Tod meiner Eltern schuld zu sein. Es ist ein alberner Gedanke, und die Dinge sind viel zu kompliziert, als dass man die Ereignisse auf eine einzige Ursache zurückführen könnte. Aber alles hat damals damit angefangen, dass ich auf meine Mutter gehört habe. Wäre ich meinem Bauchgefühl gefolgt, wäre das alles vielleicht nicht passiert.«
    »Du musst nicht darüber sprechen, wenn du nicht willst.«
    »Nein, eigentlich möchte ich das auch nicht.« Er atmete einmal tief ein und aus, und dann lächelte er wieder, als hätte er seine Schwermut abgeschüttelt wie einen lästigen Schwarm Fliegen. »Ich erinnere mich lieber an die positiven Dinge. Und heute ist ein so wunderschöner Abend, den sollten wir uns nicht verderben lassen. Hör auf, so viel nachzudenken. Deine Mutter liebt dich, und sie wird daran nichts ändern, nur weil du erwachsen wirst und dein eigenes Leben führst.«
    Seine Worte wirkten wie Balsam auf Amelies Seele, und sie schaffte es sogar, ihre düsteren Zukunftsvisionen in eine der unteren Schubladen ihres Bewusstseins zu verbannen. Er hatte recht. Es ließ sich nichts mehr an der Situation ändern, und vielleicht würde sie Leif doch noch dazu überreden können, Besuch empfangen zu dürfen. Dann würden sich viele Probleme sicherlich in Luft au flösen - oder standesgemäß zu Asche zerfallen. Doch heute wollte sie an nichts dergleichen mehr denken.
    »Leif, darf ich dich etwas

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