Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzen aus Asche

Herzen aus Asche

Titel: Herzen aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narcia Kensing
Vom Netzwerk:
übergeben.
    Leif ignorierte ihre Worte, er schien sie weder ve rstanden zu haben, noch machte er sich Gedanken darüber, dass er Amelie soeben mehr als eindrucksvoll demonstriert hatte, dass er kein normaler Mensch sein konnte. »Ich wusste, dass der Mann, den ich Vater genannt habe, mich nicht gezeugt hat. Aber ich wusste nicht, dass ich von einem Bruder getrennt wurde.«
    Ihre Blicke trafen sich, und es schmerzte Amelie wie ein Messerstich, Tränen in seinen Augen glitzern zu s ehen.
    »Alles war eine Lüge.«
    Es waren die letzten Worte, die er an diesem Tag sprach, denn Amelie bekam keine Gelegenheit mehr, noch etwas zu erwidern. Leif löste sich auf, wortwörtlich. Zuerst begann seine Erscheinung zu flackern wie Luft über heißem Asphalt, dann zerstob er wie Sand im Wind. Die Briefe verteilten sich über dem Fußboden, im selben Moment erlosch das Feuer im Kamin. Die Scheite, die sorgfältig aufgestapelt daneben lagen, zerfielen augenblicklich zu Asche. Amelie sank auf die Knie.

Spurensuche
    In den letzten zwanzig Jahren hatte sich nur wenig ve rändert. Das einstöckige Holzhaus mit dem spitzen Dach samt Anbau erstrahlte noch immer in dunkelrot und weiß, die dreistufige Betontreppe mit dem schwarzen gusseisernen Geländer, die zum Haupteingang hinauf führte, schien seitdem nicht mehr erneuert worden zu sein. Die Stufen waren glatt und ausgetreten. Das weiße Schild an der Außenfassade, das auf einen Kiosk im Inneren des Bahnhofsgebäudes schließen ließ, hatte es zu der Zeit, in der das Foto entstanden war, noch nicht gegeben. Auch die grüne Bank war verschwunden. Stattdessen stand dort ein Abfalleimer aus Zinn. Amelie drehte sich um. Hinter ihr verlief ein Gleis, schmalspurig, wie es die Bahn heutzutage nicht mehr nutzen würde.
    Amelie steckte das Foto zurück in ihre Handtasche. Es war nicht schwer gewesen, nach Almunge zu gela ngen, jenem kleinem Ort, in dem das Foto von Leifs Zwillingsbruder Loan aufgenommen wurde. Amelie vermutete, dass er hier gelebt haben könnte. Umso erstaunlicher, dass Leif nichts von ihm gewusst haben wollte. Immerhin lag Almunge nur etwa fünf Kilometer nordöstlich von Länna, mit dem Bus bequem in wenigen Minuten zu erreichen. Andererseits konnte Amelie es ihm nicht verübeln, nie hierher gekommen zu sein. Almunge hatte außer einem historischen Bahnhof absolut nichts zu bieten, das einen jungen Mann hätte herlocken können. Andererseits hatte das Länna aber auch nicht ... Konnte es also sein, dass zwei Brüder über Jahrzehnte hinweg nur wenige Kilometer voneinander entfernt gelebt hatten, ohne einander je begegnet zu sein? Möglich.
    In Almunge gab es nur Bauernhöfe und Felder, tei lweise waren die Straßen nicht einmal asphaltiert. Vom Bus aus hatte Amelie einen winzigen Lebensmittelladen gesehen. Mit Hilfe des Internets hatte sie in Erfahrung gebracht, dass fast siebenhundert Einwohner hier lebten, also in etwa so viele wie in Länna.
    Amelies Handy vibrierte einmal kurz in ihrer Hose ntasche. Eine Sms. Sie zog es heraus und schaltete das Display ein.
    Schätzchen, können wir bitte noch ei nmal reden? Es tut mir leid. Ich mache mir Sorgen! Jarik ist heute im Geschäft gewesen. Er sagte, ihr wäret gestern Abend am Kino verabredet gewesen. Du bist nicht gekommen. Telefonisch erreiche ich dich nicht, dein Handy scheint nie Empfang zu haben. Mama
    Ein Schreck fuhr Amelie durch die Glieder. Sie hatte völlig vergessen, dass sie mit Jarik ins Kino hatte gehen wollen. Sie hatte den ganzen Abend mit Recherchen über Almunge und dessen Ei nwohner zugebracht. Sie war beseelt von dem Gedanken, an Informationen über Leifs Bruder zu gelangen. Und nicht zuletzt hatte sie versucht herauszufinden, was mit Leif nicht stimmte. Die halbe Nacht hatte sie die Suchmaschinen bemüht, um nach ähnlichen paranormalen Vorkommnissen zu suchen, wie sie in der Villa vonstatten gingen. Sie hatte darüber hinaus alles andere vergessen. Leif war nicht von dieser Welt, so viel stand fest. Aber wer oder was war er? Ein Vampir? Ein Werwolf? Amelie kannte die einschlägige Literatur aus den Buchläden, in denen unwissende Frauen von dunklen Geschöpfen verführt wurden. Aber das waren alles nur Geschichten! So etwas konnte es nicht geben, oder doch? Amelie fürchtete sich nicht vor Leif, aber die Unwissenheit raubte ihr beinahe den Verstand. Drei Tage war es nun her, dass er vor ihren Augen verschwunden war. Seitdem hatte sie ihn nicht mehr erreicht. Stattdessen hatte sie sich die Zeit mit

Weitere Kostenlose Bücher