Herzen aus Asche
sich herzurichten.
»Aha. Da bist du also. Ich hatte schon gedacht, Jarik hätte mich an der Nase herumgeführt und mir eine fa lsche Adresse gegeben. Im Haus ist es vollkommen still.« Ihr Tonfall klang nüchtern und ruhig, aber Amelie wusste nur allzu gut, dass das nicht zwangsläufig bedeutete, dass sie nicht sauer auf sie war.
»Jarik hat dir die Adresse gegeben?« Sie hörte sich aufgebrachter an als beabsichtigt.
Ihre Mutter presste den Mund zu einem schmalen Strich zusammen. »Ja, das hat er. Nachdem meine eigene Tochter es nicht für nötig befunden hat. Spinnst du eigentlich?« Sie hob die Hand, als wollte sie Amelie schlagen, ließ sie jedoch wieder sinken. Das Licht der Autoscheinwerfer warf groteske Schatten auf ihr Gesicht. Amelie wich einen Schritt zurück. Sie merkte, dass ihre Hände zitterten, deshalb umfasste sie fest den Riemen ihrer Handtasche.
»Ich bin schrecklich beschäftigt gewesen in den letzten Tagen.« Sie wusste, dass es sich wie eine dumme Ausrede anhörte. Und das war es im Grunde auch. In Wahrheit hatte sie sich vor diesem Augenblick gefürchtet.
»Du hast bei unserem letzten Gespräch einfach aufgelegt! Ich habe mir eingeredet, es gehöre alles zum Erwachsenwerden, habe dir Zeit gelassen. Aber auch nach Tagen kein Lebenszeichen!«
»Erwachsen werden? Mama, ich bin erwachsen! Ich habe mein eigenes Leben.«
»Wer hat dir nur diesen Mist eingeredet? Seit du au sgezogen bist, benimmst du dich komisch. Was geht denn hier vor? Betreibst du ein zwielichtiges Gewerbe? Sieh dir mal das Haus an, es ist riesig! Wohnst du alleine dort? Woher hast du das Geld? Prostituierst du dich?«
»Mama!«
»Dann erkläre es mir bitte, meine Dame!« Sie hob drohend den Zeigefinger, und Amelie spürte Trotz und Wut in sich aufsteigen und wie eine heiße Blase platzen.
»Ein netter junger Mann lässt mich für eine geringe G egenleistung hier wohnen - alleine .«
»Eine Gegenleistung ?« Ingers Stimme kippte vor Empörung. »Ich kann mir sehr gut vorstellen, welche Art von Gegenleistung du meinst. Hast du den Verstand verloren? Hast du nichts gelernt? Männer sind Arschlöcher, allesamt!«
Amelie zuckte ob des Kraftausdrucks, den sie von i hrer Mutter nicht gewohnt war.
»Er hat das Haus geerbt und möchte lediglich, dass ich es instand halte. Sonst nichts! Deine schmutzigen G edanken kannst du behalten.« Ein paar Sekunden lang breitete sich Stille zwischen ihnen aus, dann fügte Amelie an: »Die von dir angesprochene Gegenleistung gebe ich ihm freiwillig. Ich bin nämlich nicht der Meinung, dass alle Männer schlecht sind.«
Ihre Mutter schnappte hörbar nach Luft, als hätte die Empörung ihr die Sprache verschlagen. Amelie wandte sich zum Gehen ab, aber ihre Mutter schien sich genau in diesem Augenblick wieder zu fassen. Sie hielt ihre Toc hter an der Schulter zurück. »Du kommst jetzt mit mir nach Hause.«
»Vergiss es.« Amelie schlug ihre Hand beiseite. »Ich liebe Leif, und daran wird sich nie etwas ändern.« Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie öffnete das Tor zum Vorga rten und rannte den Weg zum Eingangportal entlang. Ihre Mutter folgte ihr nicht, Amelie hörte aber auch nicht die Autotür zuschlagen. Vor der Tür drehte sie sich noch einmal um, durch den Schleier ihrer Tränen konnte sie jedoch nichts erkennen.
»Wir müssten uns nicht ständig streiten, wenn du en dlich aufhören würdest, mich wie ein unmündiges Kind zu behandeln!« Ihre Stimme klang weinerlich und kippte. Sie schämte sich dafür. Als sie mit zitternden Händen nach dem Schlüssel in ihrer Handtasche kramte, hörte sie, wie der Motor startete und das Auto sich in Bewegung setzte. Tränen rannen nun ungehindert Amelies Gesicht hinab.
Sie schlug die Tür hinter sich härter zu als nötig und tastete nach dem Lichtschalter. Die Glühlampen des Kronleuchters flackerten wie immer. Amelie legte ihre Jeansjacke auf die einzige noch unbeschädigte Kommode im Flur, die Tasche hängte sie sich wieder über die Schu lter. Wenn der Zerfall im selben Tempo voranschritt wie bisher, würde Amelie in weniger als einem Monat ohne Einrichtungsgegenstände leben. Leif hatte bei ihrem Einzug von ihr verlangt, dass sie nichts beschädigte und das Haus instand hielt. Diese Aufgabe hatte sie gründlich vermasselt, aber Leif machte sie zum Glück nicht dafür verantwortlich. Vermutlich hatte er zu diesem Zeitpunkt auch nicht damit gerechnet, sie oft zu besuchen und die Möbel damit zu gefährden. Ihr Liebesspiel vom Vorabend hatte
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