Herzen aus Asche
mit einer Geste ein, zu ihr herüber zu kommen.
»Das ist dein Schlafzimmer. Bist du sicher?«
»Jetzt spiel mir bloß nicht den Gentleman. Du hast schon weitaus intimere Dinge von mir gesehen als meine Pyjamas. Außerdem kannst du mir nicht erzählen, dass du mich nicht schon heimlich beobachtet hast.«
Er senkte verlegen den Blick, rang sich ein gequältes Lächeln ab, kam he rein und setzte sich neben sie auf die Bettkante.
»Wie funktioniert es?«, fragte Amelie. Eine innere U nruhe breitete sich in ihr aus. Sie hatte Angst. All die kindlichen Albträume, in denen Monster unter dem Bett hausten, schienen für sie wieder so präsent zu sein wie zuletzt vor fünfzehn Jahren.
»Amelie, kein anderer Geist wird mit mir sprechen wollen, selbst wenn es mir gelingt, einen in der Zwischenwelt zu finden. Ich habe dir doch bloß aus Spaß versprochen, dir bei der Suche zu helfen.«
» Versprochen ist versprochen. Außerdem werde ich für dich sprechen. Ich bin eine Seherin, schon einmal ist ein Geist zu mir gekommen.« Sie zog die Beine auf das Bett und setzte sich in den Schneidersitz. Sie konnte kaum das Zittern verbergen, das von ihr Besitz ergriff.
»Ich gebe dir insofern recht, dass Geister in der Tat ein Bedürfnis verspüren, sich in der Welt der Lebenden b emerkbar zu machen. Ein Seher zieht sie magisch an. Doch das, was ich getan habe, ist höchst verwerflich und wird mir keine Sympathien einbringen.«
»Vielleicht könntest du mir erst ei nmal erklären, was auf mich zukäme, bevor ich mich entscheide. Denk daran, dass Loan auch mich in Gefahr bringt.« Amelie war sich darüber bewusst, dass sie das Argument als Druckmittel gegen Leif verwendete. Zwar hatten seine Sorgen durchaus ihre Berechtigung, aber in erster Linie ging es ihr darum, endlich Klarheit zu schaffen.
»Und was tun wir, wenn wir erfahren, dass tatsächlich Loan dahintersteckt? Wir sind machtlos, und ich müsste jeden Tag um dein Leben fürchten. Du könntest nicht länger in der Villa leben, und ich könnte dir nirgendw ohin folgen.« Er schluckte hörbar.
Amelie s Herz pochte wie ein Presslufthammer. Sie wollte nichts davon hören, Leif wieder aufgeben zu müssen. Niemals. Es musste einen Weg geben, den Spuk zu beenden, im wahrsten Sinne des Wortes.
»Lass uns einen Schritt nach dem and eren tun«, sagte sie mit erstickter Stimme. Sie wollte nicht schon wieder vor seinen Augen in Tränen ausbrechen. »Sag mir endlich, wie wir an Antworten kommen können.«
Leif seufzte und strich sich die Haare aus dem G esicht. Er senkte den Kopf und sah Amelie nicht an, als er sprach. »Es gibt eine Möglichkeit, Dinge aus dem Diesseits mit ins Jenseits zu nehmen. Es ist mir mit einigen Gegenständen und Fotos, die mir wertvoll waren, bereits gelungen. Ich möchte sie dort für die Ewigkeit konservieren. Es wäre auch mit lebenden Personen möglich, aber über die Konsequenzen weiß ich nichts. Es könnte sein, dass du nie wieder zurückkommen kannst.«
Amelies Hände begannen zu schwitzen. Mit einem Mal war sie sich nicht mehr sicher, ob sie es riskieren wollte. »Kannst du nicht einen Geist hierher h olen, wie ich es damals schon einmal mit meinem Witchboard getan habe?«
Er antwortete nicht sofort. Amelie hörte ihn unrege lmäßig atmen, in einem Rhythmus, der einen lebenden Menschen hätte ohnmächtig werden lassen. »Ich beabsichtige, einen speziellen Geist aufzusuchen. Die meisten von uns sind dumme Schwätzer, Poltergeister, die sich einen Spaß daraus machen, Menschen zu erschrecken. Derjenige, der damals in dein Poster gefahren ist, hat mit Sicherheit zu dieser Sorte gehört. Wenn du nach einem Geist rufst, kannst du nie sicher sein, wer erscheint. Wir bewegen uns manchmal auf der Grenze zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, und nur dann bekommen wir überhaupt etwas von dem mit, was in der Realwelt geschieht. Ich bin als Wiedergänger ein sogenannter Grenzwanderer, ich befinde mich fast immer in dem Zustand, den die meisten Geister nicht freiwillig herbeiführen. Wir müssen tiefer in die Zwischenwelt eindringen, wenn wir auf Antworten hoffen.« Er hob den Kopf und schüttelte ihn leicht. Echte Verzweiflung lag in seinem Blick. »Amelie, wir sollten das vergessen. Es ist zu gefährlich.«
Sie zögerte mit einer Antwort, weil sie sich kaum tra ute, die Wahrheit vor sich selbst zuzugeben. »Kann ich dabei sterben?«
»Das kann ich nicht ausschließen.«
»Könnten wir dann nicht für immer zusammen sein?« Amelie schockierte ihre
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