Herzen aus Stein (German Edition)
müssen. Wie schön und wild zugleich er im Moment höchster Ekstase ausgesehen hatte, als er sich in ihre Hand ergoss. Das Gesicht vor Lust verzerrt, den Mund zu einem stummen Schrei geöffnet. Noir hatte seine scharfen Zähne gesehen. Er war wild, sexy und geheimnisvoll. Ein Mann nach ihrem Geschmack. Ein richtiger Kerl. Stark und doch sensibel.
„ Sie waren an meiner Hose, am Gürtel. In einem kleinen Beutel. Ich brauche sie, dringend! “
Noirs Magen zog sich zusammen. „ Bist du krank? “ Sie konnte sich kaum vorstellen, dass so ein starkes Geschöpf wie Vincent ein Ha n dicap hatte.
Er senkte den Blick. „ Nein, aber … ich brauche sie eben. “
Noir sprang vom Bett, obwohl ihre Beine schwer wie Blei waren. Jetzt fühlte sie wieder, wie erschöpft sie war. Sie eilte ins Badezi m mer und wühlte in dem Haufen in der Ecke, wo seine zerrissenen Jeans, die Handtücher und Fläschchen lagen. Kein Beutel. Dann sah sie im Zimmer nach, auf der Terrasse und unter dem Bett. Vincent musste den Beutel während des Kampfes verloren haben. Er starrte sie mit angsterfülltem Blick an. Die Tabletten mussten sehr wichtig sein. Sie verstand, dass er nicht darüber reden wollte. Ein starker Mann wie er hatte eine Schwäche – das war bestimmt demütigend für ihn. Zögerlich hockte sie sich wieder neben ihn. Er hatte sich aufgesetzt und hielt sich die Decke vor die Brust. Als ob das etwas nutzte, schließlich kannte sie nun jeden Zentimeter seines Körpers.
„ Es tut mir leid, sie sind weg. Aber wenn du sie so dringend ben ö tigst, kann ich zur Apotheke geh… “
„ Nein! “ Er umklammerte ihr Handgelenk wie ein Schraubstock und dachte: Bist du lebensmüde? Du gehst jetzt nicht ohne mich da raus! Vielleicht lauern sie dir auf.
Noir schaute hastig auf seine Hand, die zum Glück noch im Han d schuh steckte. Die Spitzen seiner Krallen berührten ihre Haut, hatten sie jedoch nicht verletzt.
Vorsichtig öffnete er die Hand und sagte sanfter: „ Bitte , bleib. So wichtig sind sie nicht. Außerdem gibt es sie nicht in der Apotheke. “ Ich hole mir morgen neue. Sonne hilft auch ein wenig.
Seltsam, ein Gargoyle, der Medizin brauchte? Aber er war ja kein normaler Gargoyle. Ihm fehlte hoffentlich nichts Ernstes. Oder vie l leicht war es so eine Art Medizin wie ihr Kräutermix, der dämon i sche Verletzungen von innen heilte. Deshalb gab es sie auch nicht zu kaufen. Ja, das musste es sein. Im Moment sah er auf jeden Fall aus, als würde es ihm besser gehen.
„ Wozu brauchst du diese Tabletten? Vielleicht kann ich dir mit meinen Kräutern helfen? “ , fragte Noir und gähnte herzhaft. Sie war so verdammt müde, doch sie wollte erst wissen, was es mit Vincents Tabletten auf sich hatte. Auch wenn er nicht darüber sprechen wol l te, würden vielleicht seine Gedanken mehr verraten. Nicht, dass sie neugierig wäre … Verflixt, sie war neugierig. Vincent hatte sie gere t tet, er war die letzten Jahre für sie da gewesen und sie wollte sich jetzt revanchieren.
„ Weiß nicht, ob deine Kräuter helfen “ , stammelte er. „ Vielleicht. “
Sein Geist schien verwirrt, denn Noir konnte kaum noch etwas Klares von ihm empfangen. Er schien ebenso erschöpft wie sie. Aber sein Gedanke über die Sonne erinnerte sie an etwas. Gargoyles fielen am Tag in einen regenerierenden Steinschlaf. Die Sonne lud ihre Körperzellen mit neuer Energie auf und heilte sie. Ob das auch bei Vincent funktionierte? Noir wollte nichts unversucht lassen. In zwei Stunden würde es hell werden.
„ Gargoyles brauchen Sonne, um zu heilen. Das stimmt doch? “
Er nickte.
„ Funktioniert das bei dir auch? “
„ Ein bisschen, ja. “ Seine Stirn legte sich in Falten. „ Woher weißt du so viel über uns? Ihr Menschen wisst nichts von unserer Exi s tenz. “
„ Die gewöhnlichen Menschen nicht. Ich hingegen bin mit der G e schichte der Wesen aus der Mythenwelt vertraut. Auch wenn ich noch nicht alle mit eigenen Augen gesehen habe, weiß ich es zumi n dest aus dem Schulunterricht. “
Ein lang gezogener Laut der Erleichterung verließ seinen Mund. Dann kann ich wenigstens offen mit ihr reden.
Das hast du schon, dachte sie schmunzelnd. Vincent hatte also doch nicht alles mitbekommen. Der Trank wirkte bei ihm anders. Ob er auch schon wieder vergessen hatte, was soeben geschehen war? Sie schaute ihn genau an. Er wich ihrem Blick aus, die Wangen tief gerötet. Nein, er konnte sich daran erinnern. Und verdammt noch mal – er war genauso verunsichert
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