Herzen im Feuer
berstadt müßte man sich Tag und Nacht die Ohren verstopfen, wenn man das nicht hören will.«
»Und Paddy hat seine Schimpfworte wahrscheinlich bei mir aufge- schnappt, also kann ich Ihnen bestimmt keine Vorwürfe machen«, ergänzte Mara mit einem kleinen Lächeln.
Der Schwede grinste beruhigt und ohne den Blick von Mara zu wenden.
Jenny seufzte unhörbar, als sie sah, welche Bewunderung der Riese Mara entgegenbrachte. Sie biß sich auf die Lippe, als sie sich versehent- lich mit der Nadel in den Finger stach. Geschieht mir recht, warum hänge ich auch meinen Tagträumen nach, dachte sie betrübt. Welcher Mann würde schon eine Witwe mit drei Kindern zur Frau nehmen? Aber sie konnte sich und ihre Söhne auch aus eigener Kraft durchbrin- gen, bis sie den Richtigen finden würde, und bis dahin mußte sie eben allein bleiben. Trotzdem nahmen ihre blauen Augen die breiten Schul- tern und die sanfte Miene des Schweden sehnsüchtig in sich auf.
»Bleiben Sie in San Francisco, Schwede?« wollte Mara wissen. Sie fragte sich, ob er vielleicht einen Laden oder ein Geschäft in der Stadt besaß.
»Jetzt lebe ich hier. Vielleicht bleibe ich für immer - wer weiß? Aber ich bin erst vor kurzem aus der Sierra zurückgekommen«, erklärte er ihr und fügte beiläufig hinzu: »Mein Partner und ich sind auf eine Goldader gestoßen, und das wollten wir feiern.«
In Maras Augen glühte ein Funken auf. Sie beugte sich interessiert vor, und der Schwede war ein bißchen enttäuscht darüber. Er rechnete fest damit, daß sie sich gleich danach erkundigen würde, wie reich er war. Doch zu seinem Erstaunen fragte sie: »Kennen Sie vielleicht einen Mann namens Brendan O'Flynn? Er ist letzten Sommer in die Berge gegangen. Vielleicht sind Sie ihm ja begegnet oder haben von ihm gehört?«
Der Schwede schüttelte bedauernd den Kopf. »Tut mir leid, aber ich kenne ihn nicht. O’Flynn? Ihr Ehemann, nicht wahr?« fragte er, unfä- hig, seine Enttäuschung zu verbergen.
»Nein, mein Bruder, Paddys Vater«, erklärte Mara.
»Ich verstehe«, strahlte der Schwede erleichtert. »Aber daß ich mich nicht an seinen Namen erinnere, bedeutet nicht, daß ich ihm nicht
begegnet sein könnte. Man trifft dort oben auf so viele Männer, daß man nach einer Weile nicht einmal mehr nach dem Namen fragt. Ich kann verstehen, daß Sie sich Sorgen um ihn machen, Miss O'Flynn, aber das brauchen Sie nicht. Die Lager sind nicht halb so schlimm, wie sie beschrieben werden.«
Mara studierte den riesigen Schweden nachdenklich und fragte sich, ob so ein Mann überhaupt etwas schlimm finden konnte. »Brendan ist nicht so robust wie Sie«, versuchte Mara ihre Ängste zu erklären, ohne daß sie den Schweden beleidigte, »er ist schmaler und -«
»Feiner, Madam«, ergänzte der Schwede lachend. »Kein so großer, schwerfälliger Ochse wie ich.«
Mara mußte lächeln. »So hätte ich es nicht gerade ausgedrückt. Aber Brendan ist mit physischer Arbeit nicht vertraut. Er wurde als Gentle- man erzogen und verdiente sein Geld bisher als Schauspieler. Ich wage zu bezweifeln, daß er je zuvor eine Schaufel in der Hand gehalten hat.«
Der Schwede lachte, denn er erinnerte sich an all die ehemals feinen Herren, die schwitzend und fluchend dort oben nach Gold suchten. »Schon viele Männer haben ihre Seidenweste gegen ein Flanellhemd und ihre Lackschuhe gegen schwere Stiefel getauscht. Ich sehe keinen Grund, warum Ihr Bruder das nicht auch schaffen sollte. Vielleicht wird es eine schwere Lektion, aber er wird es lernen.«
Mara runzelte die Stirn, denn ihr fiel ein anderer Mann ein, der ihr erzählt hatte, wie er seine feinen Manieren losgeworden war. Und sie hatte sich persönlich davon überzeugt, daß ihm das gelungen war. »Wahrscheinlich haben Sie recht.«
»Das habe ich. Mein Freund war früher mal ein richtiger Geck, aber das würde ihm heute niemand mehr ansehen. Natürlich würden die feinen Damen von New Orleans Nicholas heute noch anziehender finden als früher. Und schon damals war alles, was einen Rock trug, hinter ihm her«, erklärte der Schwede mit einem versonnenen Lächeln. Er hielt inne, als er Maras erstarrte Miene sah.
»Was ist denn, Miss O'Flynn?« fragte er betroffen. Hoffentlich hatte er sie nicht beleidigt.
Mara zögerte, bevor sie fragte: »Ihr Freund heißt nicht zufällig Nicholas Chantale?«
Der Schwede nickte. Zu seiner Überraschung seufzte sie enttäuscht. »Kennen Sie ihn?« fragte er und schüttelte gleich darauf den Kopf.
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