Herzen im Feuer
alle Kräfte verließen. Nicholas' Finger schlossen sich wie eine Klammer um ihr Gelenk, als er ihre Hand einige Zentime- ter vor seiner Wange abfing.
»Du solltest dich einfach in dein Los schicken, Mara«, riet er ihr arrogant und beobachtete sie genau.
Mara wich seinem Blick aus, denn sie hatte das Gefühl, daß sie ihre Gedanken unmöglich vor ihm geheimhalten konnte. Als sie ihn wieder ansah, hatte sie sich ergeben in ihr Schicksal gefügt.
»Wie du willst, Nicholas«, antwortete sie vorsichtig. »Du hast ge- wonnen. Du bist der Herr hier, nicht wahr?«
Nicholas lächelte. »Wenn du das sagst, klingt es wie eine Beleidi- gung.«
»Ich behandle dich, wie du mich behandelst.«
Nicholas faßte ihr unters Kinn, damit er ihr tief in die Augen schauen konnte. »Ich frage mich, ob wir einander wohl je verstehen werden. Oder ob wir eines Tages sogar Freunde sein werden.«
»Freundschaft braucht Vertrauen, und wir trauen einander nicht«, antwortete Mara traurig. »Das werden wir wohl nie.«
»Wahrscheinlich hast du recht.« Einen Augenblick lang zeigte er aufrichtiges Bedauern.
»Darf ich jetzt gehen?« fragte Mara abrupt.
»In dein Zimmer?«
»Wohin sollte ich sonst gehen?« fragte Mara bitter zurück. Als er seinen Griff löste, marschierte sie schnell an ihm vorbei und verschwand ohne einen Blick zurück im Haus.
Mara strich über den weichen Samt des so erinnerungsträchtigen roten Kleides. Heute Nacht würde sich alles um Amaryllis drehen, vor allem, wenn sie ihren Überraschungsgast vorstellte, den berüchtigten Nicholas de Montaigne-Chantale. Aber wenn Nicholas das rote Kleid sah, würde er an ihre gemeinsame Vergangenheit denken müssen. Eine Vergangen- heit, die nur Mara mit ihm teilte.
Sie atmete tief ein, als Jamie das Kleid zuhakte.
»Ich weiß gar nich', warum Sie ausgerechnet dieses Kleid anzieh'n müssen. Sie haben doch so viele andere«, beklagte sich Jamie, während sie den letzten Haken durch die Öse schob. »Naja, vielleicht isses besser, wenn Sie's heute anziehen, denn lange wird's Ihnen nich' mehr passen«, fügte sie schniefend hinzu.
Mara wirbelte herum und starrte die kleine Frau an. »Was soll das heißen?« fragte sie leise und versuchte ihr Unbehagen hinter einer hochmütigen Maske zu verbergen.
Aber Jamie ließ sich nicht einschüchtern. Sie faltete die Arme vor der Brust und antwortete mit sorgfältig einstudierter Entrüstung: »Glauben Sie, ich hab' keine Augen im Kopf? Himmel, ich glaub', ich seh' zur Zeit viel klarer als Sie«, schnaubte sie.
Mara seufzte und lachte dann. »Wie töricht von mir zu glauben, ich könnte solch ein Geheimnis vor Frau Adlerauge bewahren.« Mara lachte gutmütig. Die alte Frau war ihr eine treue Freundin und immer für sie da, wenn sie jemanden brauchte. »Anscheinend hat mir dein feiner Gentle- man diesmal ein schönes Geschenk gemacht, Jamie. Bald wird alle Welt wissen, daß ich schwanger bin.« Mara strich mit zitternden Händen über den Samt auf ihren Hüften.
Jamie spürte Maras Unsicherheit und Angst. Sie runzelte die Stirn, tätschelte Maras Hand und sagte: »Regen Sie sich mal nich' auf. Master Nicholas wird schon alles richten. Er is' 'n guter Kerl, wirklich.«
Mara entriß ihr die Hand und schoß ihr Zornesblicke zu. »Fang bloß nicht an, mich zu bemitleiden. Das kann ich überhaupt nicht brauchen«, flüsterte sie gebrochen. »Mein Gott, wenn du mich schon bemitleidest, was wird dann Nicholas erst von mir denken? Eher sterbe ich, als daß ich sein Mitleid ertrage«, schwor sie. Sie packte Jamie bei den Schultern.
»Schwöre bei Maud O’Flynns Grab, daß du Nicholas kein Sterbens- wort davon verraten wirst, versprich es mir, Jamie. Versprich es mir!«
Jamie schluckte nervös. »Wie Sie wünschen, Miss. Sie wissen, daß ich Ihnen noch nie was Böses getan hab'«, antwortete sie ihr ruhig. Ihr Blick wich nicht von Maras bebenden Lippen. Mara wandte sich ab, ging zum Fenster und starrte in die Dunkelheit hinaus.
Als Jamie sie so stehen sah, fiel ihr plötzlich das verletzliche kleine Mädchen ein, das in Paris an einem verdreckten Fenster gestanden und in den Regen hinausgestarrt hatte. Seine Mutter war an jenem Morgen gestorben. Damals hatten sie diese goldenen Augen flehend angeblickt, aber sie hatte dem vor Schmerz betäubten Kind keine der Antworten geben können, die es so dringend gebraucht hätte. Seit diesem Morgen war Mara O’Flynn nie mehr dieselbe gewesen.
Mara wandte sich vom Fenster ab. »Ich werde dafür sorgen,
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