Herzen in Gefahr
Armut.«
»Rosa, wieso kannten Sie ihn damals schon?«
Die Haushälterin stellte die Tasse vor sie hin. »Wir hatten denselben Vater.«
Verblüfft schaute Cathleen sie an. Als Rosa sich vom Tisch entfernen wollte, packte Cathleen sie beim Arm. »Sie sind Keiths Schwester?«
»Seine Halbschwester. Als ich sechs Jahre alt war, zog mein Vater mit mir nach New Mexiko, wo er Keiths Mutter kennenlernte, eine hübsche, zarte und sehr unerfahrene junge Frau. Neun Monate später kam Keith zur Welt. Da er keine Arbeit finden konnte, ließ mein Vater mich bei Keiths Mutter zurück und zog weiter. Er versprach, uns alle nachzuholen, sobald er Arbeit hätte. Aber wir hörten nie wieder etwas von ihm. Später erfuhr Keiths Mutter, dass er in Utah eine andere Frau gefunden hatte. Also ging sie arbeiten, putzte zwanzig Jahre lang für andere Leute. Dann starb sie. Am Tag ihrer Beerdigung verließ Keith New Mexiko. Erst fünf Jahre später sah ich ihn wieder.«
»Hat er Sie gesucht?«
»Nein, ich habe ihn gesucht.« Rosa fing an, die Gläser blank zu reiben. »Keith ist kein Mann, der sich um andere kümmert. Er war damals Mitinhaber eines Spielkasinos in Reno. Da ich kein Geld von ihm nehmen wollte, habe ich eine Stelle bei ihm angetreten. Er sieht es nicht gern, dass ich für ihn arbeite, aber er schickt mich nicht weg.«
»Wie könnte er? Sie sind doch seine Schwester?«
»Nicht für ihn. Für ihn hat es seinen Vater nie gegeben. In Keiths Leben ist kein Platz für eine Familie oder ein Zuhause.«
»Das kann sich ändern.«
»Nur Keith kann es ändern.«
»Ja.« Cathleen nickte und stand gleichzeitig auf. »Vielen Dank, Rosa.«
Cathleen hatte Keith noch immer nichts von dem Baby gesagt. Obwohl ihr Geheimnis sie Tag und Nacht beschäftigte, sprach sie nicht darüber. Sie wollte Keith im Moment nicht damit belasten. Er musste sich um die bevorstehenden Rennen kümmern, die immerhin die wichtigsten der Saison waren. Seit ihrem Gespräch mit Rosa sah sie Keith in einem anderen Licht. Zum Beispiel fiel ihr auf, wie gut er die Leute behandelte, die für ihn arbeiteten. Er forderte sie zwar, aber er überforderte sie nicht.
Und nie ließ er sich ihnen gegenüber zu einem lauten Wort hinreißen. War er deshalb so verständnisvoll, weil er wusste, wie es war, von einem Arbeitgeber ausgenutzt zu werden?
Als sie zur Derby-Woche nach Kentucky flogen, nahm Cathleen sich fest vor, ihm nach ihrer Rückkehr zu sagen, dass sie ein Kind erwartete. Irgendwie wollte sie die Hoffnung nicht aufgeben, dass er sich doch darüber freuen würde.
Sie hat sich verändert, dachte Keith, als er sich im Salon ihrer Hotelsuite einen Drink mixte. Cathleens Stimmungen waren unberechenbar geworden, konnten plötzlich innerhalb von Sekunden von einem Extrem ins andere umschlagen. Und das war nicht nur so, wenn sie allein waren. Da spielte sie zum Beispiel auf Partys die züchtige Gattin, und im nächsten Augenblick flirtete sie mit anderen Männern. Er konnte nicht abstreiten, dass sie ihn damit eifersüchtig machte, obwohl er wusste, dass sie genau das beabsichtigte. Und wenn er ihr ein Glas Champagner brachte, lehnte sie dankend ab und wollte Orangensaft. Dabei war Champagner ihr Lieblingsgetränk.
Er erinnerte sich an den Tag, als er ihr die zu ihrem Collier passenden Saphir-Ohrringe geschenkt hatte. Sie hatte das Etui geöffnet, war in Tränen ausgebrochen und davongelaufen, um eine Stunde später zurückzukommen und sich liebevoll bei ihm zu bedanken.
Sie machte ihn verrückt – und er konnte nichts dagegen machen, er fand es herrlich.
»Bist du fertig, oder willst du immer eine Viertelstunde später erscheinen?«, fragte er, während er zum Schlafzimmer hinüberschlenderte.
»Ich bin gleich so weit. Da wir morgen das Rennen gewinnen werden, will ich heute besonders gut aussehen.« Sie hatte das Cocktailkleid mit Bedacht ausgewählt. In wenigen Wochen würden die ersten Anzeichen ihrer Schwangerschaft sichtbar werden, und dann konnte sie etwas so Gewagtes nicht mehr tragen. Und gewagt war das hautenge tiefblaue Kleid mit den eingewirkten Silberfäden zweifellos. Es war schulterfrei und tief dekolletiert, und der knöchellange Rock schmiegte sich an ihren Körper wie eine zweite Haut. Wenn der Schlitz nicht gewesen wäre, hätte sie sich kaum bewegen können. »Nun, wie gefällt es dir?«, fragte sie und drehte sich lächelnd einmal im Kreis. »Mrs. Viceroy sagte, ich soll etwas tragen, das mein Collier zur Geltung bringt.«
»Wer wird schon
Weitere Kostenlose Bücher