Herzensbrecher auf vier Pfoten
lästigen Kleinteile des Nachlasses aufgelistet, den sie auflösen musste. Und dann waren da immer noch die Schränke. Dot hatte die Manie ihrer Schwester Val, einmal im Jahr auszumisten und alle Regale mit Schrankpapier auszulegen, offensichtlich nicht geteilt.
Erst wenn diese Aufgaben erledigt waren, würden die wirklichen Entscheidungen anstehen. Verkaufen oder behalten? Zurück nach London gehen oder irgendwo anders einen Neubeginn starten? Und wenn ja … wo?
Von dieser Seite her betrachtet war die Aussicht, den Inhaltvon Dots knarzenden viktorianischen Anrichten und Schränken durchzusehen, auf einmal gar nicht so schlecht. Die Frage war nur, wie lange es wohl dauern würde, einen kompletten Hausstand aufzulösen?
9
N atalies alptraumhafter Tag begann mit der guten Nachricht einer anderen Person. Bevor sie überhaupt richtig wach war, rief ihre Schwiegermutter an und informierte sie, dass Johnnys Schwester Becky zum dritten Mal schwanger war.
Dies waren die Augenblicke, in denen Natalie vermutete, in Wahrheit ein Fruchtbarkeitstotem zu sein – nur eben für andere Leute. Wohin auch immer sie ging, überall tauchten Babys in ihrem Kielwasser auf.
»Ich werde noch einmal Großmutter«, rief ihr ihre Schwiegermutter aus dem Hörer entgegen. Sheila hatte offenbar schon vier Tassen Kaffee intus. »Ich habe Becky gesagt, dass ich mir dieses Mal ein Mädchen wünsche; ich habe die Schubladen voll mit hübschen Kleidchen, die ich an sie weitergeben könnte. Ich habe zu unserem Michael gesagt, dass man bei uns Hodges nur einmal mit dem Auge zwinkern muss, und schon treffen wir uns alle beim Babyausstatter.«
Das war der Augenblick, in dem Johnny ihren Gesichtsausdruck bemerkt und ihr den Hörer aus der Hand genommen hatte. Doch da war es schon zu spät gewesen. Natalie war klar, dass ihre Reaktion ausreichend Begeisterung hatte vermissen lassen. Nun würde sie einen doppelt so großen Blumenstrauß schicken müssen, um zu beweisen, wie sehr sie sich für Becky und Steve freute. Bald sollte es also wieder einen neuen Neffen oder eine neue Nichte geben, wieder eine verdammte Taufe, bei der ihr von allen Seiten Kommentareà la »Ihr müsst euch mal ranhalten« und »Bald seid ihr an der Reihe!« entgegenschallten.
Sie ließ Johnny am Telefon zurück und beschäftigte sich damit, mit ihrer komplizierten, aber hübsch glänzenden Espressomaschine einen Kaffee zu kochen. Doch Natalie kam nicht umhin, immer wieder dem Gespräch zu lauschen. Immerhin konnte sie dieses Mal die Leerstellen problemlos füllen. Dieses Gespräch schienen Johnny und seine Mutter in letzter Zeit häufiger zu führen – es glich eher einer höflichen Partie Schach als einer tatsächlichen Unterhaltung.
»Ja … hier ist alles prima … Das ist nicht der beste Zeitpunkt, Mum, um über so etwas zu sprechen! … Natürlich nicht … Beruflich hat sie derzeit sehr viel zu tun, wir beide im Übrigen … Mum, Natalie ist gerade erst befördert worden, es wäre nicht … Jetzt komm schon, du weißt doch genau, dass das nicht stimmt …«
Natalies Schultern sackten nach unten. Was stimmt mit Natalie nicht , das war Sheilas eigentliche Frage. Diese Frage stellte sich jeder, der nicht einen Witz darüber machte, ob Natalie und Johnny es auch schon einmal mit Geschlechtsverkehr versucht hätten, um schwanger zu werden. Was war eigentlich besser – als selbstsüchtige Karrierefrau zu gelten oder als vertrocknete, verklemmte Jungfer?
Natalies Unterlippe zitterte, doch als sie im Flur ihr schickes neues Kostüm im Spiegel betrachtete, ermahnte sie ihr Spiegelbild, dass sie mehr zu bieten hatte als nur ihren Uterus. Im Alleingang hatte sie innerhalb des letzten Jahres mehr Geschäfte an Land gezogen als jeder andere in ihrer Abteilung. Und das, ohne dabei irgendwem auf die Füße zu treten oder auf heimliche Verabredungen zum Mittagessen zurückgreifen zu müssen. Darauf konnte man doch wahrlich stolz sein, oder etwa nicht? Zählte es denn gar nichts mehr, zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen und sich eine Karriere aufzubauen? Was war denn bloß aus dem Feminismus geworden?
»Hör mal, Mum, richte Becky bitte aus, dass wir uns wahnsinnig für sie und Steve freuen. Ich werde sie anrufen, wenn ich heute Abend aus der Schule zurück bin …«
Johnnys Stimme wurde lauter, als er mit dem Telefon in den Flur zurückkam. Natalie blinzelte, um die Tränen zurückzuhalten, und lächelte strahlend, obwohl sie wusste, wie aufgesetzt dies
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