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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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hast keinen Liebhaber?«, frage ich.
    Mama guckt mich nachdenklich an. »Nein«, sagt sie, »und ich habe auch nicht die Absicht, mir einen zuzulegen.«
    »Du verlässt Papa nicht?«
    »Nein«, sagt Mama, »und um es so weit auch nicht kommen zu lassen, will ich einiges ändern.«
    »Du solltest aufschreiben, was du ändern willst, und das Blatt Papier an die Küchentür nageln wie Martin Luther seine Thesen«, sage ich, »dann nimmt Papa das viel ernster.«

    Vielleicht sollte ich mich doch noch für den Konfirmandenunterricht anmelden. Papa würde das freuen.
    »Hat Luther die an die Küchentür genagelt?«, fragt Mama und grinst.
    Gott sei Dank. Das Schlimmste scheint vorbei zu sein.

47
    »Guck nicht so bedrückt, Tonilein«, sagt Oma, »das ist nur ein Antibiotikum. Die Entzündungswerte haben sich erhöht.«
    Ich gucke auf die Nadel mit der Kanüle in Omas Hand. Als ich eben im Krankenhaus ankam, hatte ich gehofft, Oma käme mir entgegen.
    »Denk mal lieber an das arme Schwein, dem ich die neue Herzklappe verdanke«, sagt Oma. Sie ist ja nun wirklich keine Vegetarierin.
    Ich setze mich auf Omas Bettkante und erzähle. Das zweite Bett im Zimmer ist leer. Ich bin ganz unbefangen.
    Schnee. Papa und Andreas im Harz. Mama im Aufbruch. Jan und das Versprechen auf ewige Liebe. Der lange Abend, der vor uns liegt.
    »Mama nimmt an, dass wir bei Jan sein werden. Ich wollte ihr nicht sagen, dass wir deinen Schlüssel haben.«
    »Das sage ich ihr auch lieber selber«, sagt Oma. »Sieht so aus, als ob sie und ich ohnehin mal dringend reden sollten.«

    Ich seufze dankbar auf. Oma ist sicher die beste Vermittlerin. Vielleicht kann sie sich auch mal Papa vorknöpfen. Obwohl ich mir vorstellen könnte, dass er die Vorschläge seiner Mutter abwehrt.
    »Jans Mutter ist erst im Juni gestorben«, sage ich.
    »Weißt du, woran?«, fragt Oma.
    Ich schüttle den Kopf. »Ich denke immer, dass ihr Tod und Jans Narbe miteinander zu tun haben«, sage ich.
    »Das denke ich auch«, sagt Oma, »vielleicht ein Autounfall.«
    »Jan sagt, er habe einen Schlag auf den Kopf gekriegt.«
    »Er hüllt sich schon sehr in Geheimnisse, dein Jan.«
    Dann erzähle ich Oma von den Kartons, die noch nicht ausgepackt sind, und dass er fürchtet, sein Vater sei nur auf der Durchreise.
    »Jans Vater sollte mal an den Jungen denken«, sagt Oma, »der baut sich hier doch gerade ein neues Leben auf.«
    Ich habe den Eindruck, dass es Oma nur so kribbelt, die Nadel aus der Hand zu reißen, die Bettdecke zurückzuschlagen und sich einzuschalten in die Probleme dieser Welt. Ich darf sie nicht so belasten. Sitze hier und schütte meine Sorgen vor ihr aus.
    »Wo ist eigentlich deine Bettnachbarin?«, frage ich. Eine Schrecksekunde lang ist mir durch den Kopf gegangen, sie sei an Rücksichtslosigkeit gestorben. Unserer Rücksichtslosigkeit.
    Oma guckt mich an, als käme sie gerade von weit her.
    Sie dreht den Kopf zu dem leeren Bett. Das Laken ist straff gezogen.

    »Frau Broder«, sagt sie, »die ist entlassen worden.« Ich werde zappelig. Um zwei will ich in Omas Wohnung sein. Als die Schwester ins Zimmer kommt und eine Tasse Tee und ein Stück Sandkuchen auf den Nachttisch stellt, stehe ich auf.
    Oma streicht mir das Haar aus dem Gesicht, als ich mich zu ihr beuge.
    »Du fängst an, eine schöne junge Frau zu sein«, sagt sie.
    Das sehe ich anders. Habe ausgerechnet heute zwei Pickel am Kinn.
    »Genießt es, du und Jan, und gebt gut auf euch acht.«
    Schon in der Tür stehend, drehe ich mich noch mal um.
    »Und du werde bitte ganz bald gesund«, sage ich.
    »Ja«, sagt Oma, »und dann finden wir ein neues Liebesnest für euch.«

48
    Liebesnest. Oma hat das Wort gewählt, das ich im Sinn habe, wenn ich an die Nachmittage mit Jan in Omas Wohnung denke. Heute werden wir nicht aus dem Sessel springen, wenn die Dunkelheit kommt. Wir haben Zeit. Einen ganzen langen Abend Zeit.
    Es schneit wieder dicke Flocken aus einem dunkelgrauen Himmel, obwohl der Schnee auf dem Boden schon taut. Ich bin durchnässt und friere, als ich vom
Schwanenwik in Omas Straße einbiege. Hätte mich doch nicht gegen den wattierten Winteranorak entscheiden sollen, den Papa heute Morgen vom Dachboden mitgebracht hat. Doch an dem ist alles zu kurz, vor allem die Ärmel. Ich war viel kleiner im vergangenen Winter und hatte leider eine Schwäche für Schweinchenrosa.
    Jan kommt mir vom anderen Ende der Straße entgegen. Winterfest sieht er aus. Ganz anders als ich. Er trägt die Art Jacke, die man

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