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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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setze mich in den Sessel. Den großen Sessel für zwei.
    Da steht Papa auf einmal hinter mir.
    Nein. Er sagt nicht: »Das hab ich mir doch gedacht.«

67
    Papa steht an der Terrassentür und schaut hinaus. Er hat die Hände in die Hosentaschen gesteckt. Er sieht aus, als ob er pfeifen wollte. Er pfeift nicht. Er dreht sich zu mir um und stellt mir eine Frage.
    Ich beantworte sie wahrheitsgemäß. Ja. Oma hat mir den Schlüssel gegeben. Und zwar nicht nur, wenn sie frische Wäsche brauchte.
    Papa schüttelt den Kopf. »Meine eigene Mutter«, sagt er.
    »Bitte sei ihr nicht böse«, sage ich.
    Hat er es geahnt? Oder ist es ein Zufall, dass er hier steht? Ich habe mir zu viel Zeit gelassen. Er hat viel weniger Zeit gebraucht, um das Märchen umzuschreiben.
    »Es ist schon einige Tage her«, sagt Papa, »da habe ich ganz im Tran Omas Nummer gewählt. Hatte sie eigentlich im Krankenhaus anrufen wollen. Doch ich habe diese hier eingegeben.«
    Ich ahne, was kommt, doch ich warte ab.
    »Jemand hat ›Hallo‹ gesagt«, sagt Papa. »Im ersten Augenblick habe ich geglaubt, deine Stimme zu hören. Ich habe aufgelegt.«

    »Und du hast mich nicht zur Rede gestellt?«, frage ich. Das überrascht mich nun wirklich.
    »Ich habe mir eingeredet, dass du es nicht gewesen bist. Oder dass du da warst, um frische Wäsche für Oma zu holen«, sagt Papa.
    »Willst du jetzt alles wissen?«, frage ich.
    »Nur eines«, sagt Papa, »ob du etwas getan hast, für das du zu jung bist.«
    Er kann doch nicht aus seiner Haut.
    »Du meinst, ob ich Sex hatte?«, frage ich.
    Papa zuckt zusammen.
    »Zumindest keinen, von dem man Kinder bekommen kann«, sage ich.
    »Bist das wirklich du,Toni?«, fragt Papa. »Bist du denn noch meine Toni?«
    »Ja, Papa. Ich bin Toni, die sich über den Adventskalender freut. Obwohl sie nicht mehr ans Christkind glaubt.Aber ich bin auch Toni, die sich in Jan verliebt hat. Toni, die wohl schneller erwachsen ist, als du es wahrhaben willst, auch wenn sie noch nicht mal vierzehn ist. Und auch Toni, auf die du dich verlassen kannst.«
    Wo habe ich all diese Worte her? Sie müssen in mir gewachsen sein in den Wochen, seit ich mit Jan zusammen bin. Es liegt auch an Jan.
    Kalli hätte sie sicher nicht in mir wachsen lassen.
    Papa setzt sich neben mich. Auf Jans Platz.
    Er nimmt meine Hand. »Ich vertraue dir, Antonia«, sagt er.

68
    Ich bin gegangen und habe den leeren Korb mitgenommen, in dem vorher das Altglas gewesen war. Papa wollte noch sauber machen und dann zu Oma gehen. Er wollte nicht, dass ich ihm helfe, und auch nicht, dass ich ihn begleite.
    Er hat mir versprochen, Oma keine Vorwürfe zu machen.
    Ich suche die Telefonzelle auf, in der ich schon einmal erfolgreich war. Ich habe Glück. Noch immer ist der Schlitz für die Karte nicht mit Kaugummi verklebt und keiner hat den Vandalen gespielt.
    Jan meldet sich gleich nach dem ersten Klingeln.
    »Wo warst du?«, fragt Jan.
    Ich erzähle es ihm.
    »Hat dein Vater jetzt nichts mehr dagegen?«
    Diese Frage überfordert mich. Hat Papa nichts mehr dagegen?
    »Ich denke nicht, dass er verrückt vor Freude ist«, sage ich, »doch die Zeit der Heimlichkeiten ist vorbei.«
    »Können wir uns im Bootsmann treffen?«, fragt Jan.
    Jetzt? Passt mir das?
    »Ich lade dich zum Lunch ein«, sagt Jan, »in einer Viertelstunde?«
    Ich gucke an mir herunter. Ich trage eine ausgeleierte Jogginghose und ein Shirt, auf dem »Nowhere without Teddy« steht. Andreas hat es mir zu meinem dreizehnten Geburtstag geschenkt. Dazu halte ich einen sehr vorteilhaften Plastikkorb in der Hand, in dem bei uns die leeren Flaschen gesammelt werden.

    Als ich vor zwei Stunden von zu Hause aufbrach, nahm ich an, ich würde kurz zu Omas Wohnung gehen, vielleicht ein paar Teile abspülen und noch einmal im Sessel sitzen und auf die Alster gucken. Ich dachte ganz und gar nicht an ein Date mit Jan.
    »Ich bin nicht danach angezogen«, sage ich.
    Ich höre Jan nach Luft schnappen.
    »Wo warst du heute Vormittag?«, frage ich. »Ich habe es ziemlich lange durchläuten lassen.«
    »Ich habe mir gedacht, dass du es bist«, sagt Jan. »Ich hatte meinen Vater auf dem Handy, und es war leider nicht der Moment, ihn abzuwürgen.«
    »Du hattest dein Handy eingeschaltet?«
    »Das tue ich nur, wenn er allein in Husum ist.«
    Warum? Um Jens Torge noch schnell zu überzeugen, nicht ins Meer zu gehen? Hat Jan davor Angst?
    »Kommst du nun zum Bootsmann ? Ist doch egal, was du anhast«, sagt Jan.
    Klar komme ich. Das ist doch

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