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Herzensruhe

Herzensruhe

Titel: Herzensruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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tragen, sehnen sich danach, mitten in den Turbulenzen, in denen sie stehen, die innere Ruhe zu bewahren, ihre Arbeit aus der inneren Ruhe heraus zu bewältigen. Die Ruhe mitten im Tun zu bewahren, das ist letztlich das Programm, das das benediktinische „Ora et labora“ für heute verkünden möchte. Ich merke bei mir sehr deutlich den Unterschied, ob ich mich von den Problemen in der Verwaltung bestimmen lasse oder ob ich aus dem inneren Ort der Ruhe heraus auf die Konflikte reagiere, mit denen ich konfrontiert werde. Wenn ich mich in die Konflikte hineinziehen lasse, lahmen sie mich und rauben mir meinen Schwung. Ich gehe dann im Problematisieren auf, ohne eine Lösung zu finden. Wenn ich aber alles aus der Gelassenheit innerer Ruhe heraus betrachte, dann kommen viel leichter Ideen in mir hoch, die mir einen Weg aus der Sackgasse weisen.
    Für mich ist das benediktinische Programm heute eine Chance, mitten in der Hektik unserer Zeit Wege zu finden, die Ruhe zu bewahren und dadurch effektiver in diese Welt hineinwirken zu können. Wenn ich im Fernsehen Diskussionen zwischen Politikern oder Wirtschaftlern ansehe, erkenne ich sehr selten diese innere Ruhe. Da reagieren die
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    Diskussionspartner aggressiv auf Kritik, da will sich jeder auf Kosten des anderen profilieren. Da begegne ich selten Menschen, die ohne den inneren Druck, als Sieger hervorgehen zu müssen, gelassen und ruhig reden. Da sehe ich selten Menschen, denen man die innere Freiheit ansieht. Viel öfter schauen mir da genervte, gestreßte und ruhelose Gesichter entgegen. So aber kann kein Gespräch entstehen, das weiterführt.

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    6. Das unruhige Herz

    Neben Cassian schöpft Benedikt in seiner Regel auch immer wieder aus den Werken des hl. Augustinus. Augustinus ist einen sehr unruhigen Weg gegangen. Überall hat er nach der Wahrheit gesucht, und immer wieder wurde er enttäuscht. Seine ruhelose Suche nach der Wahrheit hörte erst auf, als er Gott begegnet ist, wie ihn die Bibel beschreibt. So schreibt er in seinem autobiographischen Buch „Confessiones = Bekenntnisse“:
    „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir, mein Gott.“
    Augustinus weiß aus der eigenen Lebensgeschichte, daß Gott uns zu sich hin geschaffen hat und daß wir nur in Gott zur Ruhe finden können. Gott allein kann unsere tiefste Sehnsucht erfüllen. Für Augustinus ist der Mensch wesentlich einer, der sich sehnt. Er sehnt sich nach Erfolg, nach Besitz, nach einem Freund, nach einem Menschen, der ihn liebt. Aber in all diesen Sehnsüchten sehnt er sich letztlich nach Gott, nach wahrer Heimat, nach absoluter Liebe, nach absoluter Geborgenheit.
    Augustinus ist selbst ein Mensch mit einer tiefen Sehnsucht nach Ruhe und Heimat. In den „Confessiones“ fragt er: „Wer gibt mir, daß ich Ruhe finde in dir? Wer gibt mir, daß du kommest in mein Herz und es trunken machest, daß ich vergesse meine Sünden und dich umfange, du mein einzig Gut?“ Und er gibt selbst die Antwort: „Ruhelos ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.“
    Die „Confessiones“ sind das erste Buch eines Theologen, der persönlich von sich spricht. Gerade wegen seiner Subjektivität ist es daher ein modernes Buch. Augustinus beobachtet genau seine Seelenregungen, seine Ruhelosigkeit, seine tiefe Sehnsucht nach Gott, die ihn in aller Unruhe erfüllt. Für mich ist Augustinus bei aller Zeitbedingtheit nach wie vor ein moderner Theologe. Denn er glaubt, daß sich jeder Mensch, auch der, der
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    nach außen hin gar nicht religiös erscheint, sich im Grund nach Gott sehnt. Die tiefste Triebfeder dafür, daß der Mensch so ruhelos danach sucht, was ihn glücklich und zufrieden macht, ist letztlich die Sehnsucht nach Gott. Auch der, der sich leidenschaftlich für seinen Verein einsetzt, der mit ganzer Kraft seinen Besitz vermehrt, der sich immer neu in eine Frau verliebt, der für bessere Lebensverhältnisse kämpft, wird letztlich von der Sehnsucht nach Gott bestimmt. Wenn ich zu Ende denke, was mich im Tiefsten um treibt, wenn ich mich nach Besitz, nach sexuellem Einssein, nach einem erfüllten Urlaub sehne, dann werde ich bald merken, daß kein noch so großer Besitz meine Sehnsucht stillen kann, keine noch so schöne Frau und kein noch so großartiger Urlaub. Letztlich ist es Gott, nach dem wir uns sehnen. Und erst wenn wir Gott als Ziel unserer Sehnsucht erkennen, kommen wir in unserer ruhelosen Suche nach Glück zur Ruhe. Augustinus kann diese Sehnsucht nach Gott in verschiedenen Bildern

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