Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Titel: Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
Vom Netzwerk:
die Plüschkatze an sich drückte, nahm Roxy ein billiges Prepaid-Handy aus der Tasche und wählte den Notruf. Sie tat das nicht aus Nächstenliebe. Sie wusste gar nicht genau, was es war. Doch sie telefonierte um Hilfe für Marin, weil der Mann ihr lebendig eventuell noch nützlich sein konnte. Nachdem sie einmal sein Blut gekostet hatte, konnte sie ihn aufspüren, wo immer er war. Und so konnte er sie vielleicht doch noch zu seinen Auftraggebern führen. Denn das Erste, was er tun würde, war sicherlich, zu ihnen zu rennen. Sie gab der Rettungsleitstelle die Adresse des Motels und die Nummer des Zimmers, in dem Marin lag. Unmittelbar danach beendete sie das Gespräch, ohne sich um die Aufforderung zu kümmern, in der Leitung zu bleiben.
    Anschließend schaltete sie die Musik auf dem iPod aus, nahm dem Kind die Kopfhörer ab und eilte mit ihm zu ihrem Mietwagen, der am anderen Ende des verlassenen Parkplatzes stand. „Jetzt müssen wir schnell zu deiner Mom“, sagte Roxy ruhig, während sie Dana auf dem Beifahrersitz den Sicherheitsgurt anlegte. Sie hatte an alles gedacht und vorher in dem Zweisitzer schon den Beifahrer-Airbag ausgeschaltet und aus einigen Kleidungsstücken einen provisorischen Kindersitz hergerichtet. „Noch vier Stunden, dann kannst du sie wieder in die Arme schließen.“
    „Wie lange sind vier Stunden?“, fragte Dana.
    Roxy staunte. Cleveres kleines Ding, dachte sie. Sie überlegte einen Augenblick, dann zeigte sie auf die Digitaluhr auf dem Armaturenbrett des Wagens, die 1 Uhr 35 anzeigte. „Weißt du, was das ist?“, fragte sie und deutete auf die 1.
    „Eine Eins“, antwortete Dana leise.
    „Und weißt du schon, wie eine Fünf aussieht?“ Als Dana zögerte, zeigte sie auf die Ziffer rechts. „Das ist eine Fünf. Wenn die vorne steht, wo jetzt die Eins ist, sind die vier Stunden fast um und du kannst bald zu deiner Mom. Alles klar?“
    „Alles klar“, echote das Mädchen. Sekunden später sank ihr der Kopf auf die Brust und sie war eingeschlafen.
    Einen Moment lang sah Roxy die Kleine fassungslos an. Dann wandte sie sich um, warf einen prüfenden Blick um sich, schleuderte das Handy, von dem aus sie die Ambulanz angerufen hatte, in ein angrenzendes Gebüsch und ging auf die Fahrerseite des Wagens, um sich hinters Steuer zu setzen. Aber noch bevor sie eingestiegen war, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Ein kurzer Windstoß war ihr durchs Haar gefahren. Es war jemand da – hinter ihr. Vorsichtig drehte sie sich um.
    Da stand er in voller Lebensgröße. Dagan Krayl mit seinem langen blonden Haar und dem stechenden Blick aus den grauen Augen. Er sah sie an, dann drehte er sich plötzlich zum Gebäude des Motels um, als hätte auch er etwas hinter sich wahrgenommen.
    Enttäuscht seufzend wandte sie sich wieder ab. Er war es nicht wirklich. Es war nicht das erste Mal, dass sie diesen Wachtraum hatte. Beim ersten und zweiten Mal hatte sie noch geglaubt, dass er tatsächlich vor ihr stand. Aber dann hatte sie erkannt, dass es nur ihre überreizten Nerven waren, die ihr diese Erscheinungen vorgaukelten.
    Diese Fata Morgana oder Sinnestäuschung, dieser Tagtraum – gelegentlich kam es auch vor, dass Dagan ihr nachts im Traum erschien. Was immer es war, es stellte sich seit einiger Zeit regelmäßig ein, wenn sie irgendeine Gefahr witterte oder Grund hatte, sehr auf der Hut zu sein. Es war beinah so etwas wie ein Frühwarnsystem.
    Sie blickte an ihm vorbei und spähte noch einmal in Richtung des Motels, konnte aber nichts Verdächtiges entdecken.Einen Augenblick später war Dagans Gestalt verschwunden. Auch das kannte sie schon. Noch immer musterte sie aufmerksam das Motel und die Umgebung, ohne dass sich dort das Geringste rührte. Doch Roxy traute dem Frieden nicht. Sie glaubte ihren Empfindungen mehr als ihren Augen. Auch wenn sie nichts entdecken konnte, bedeutete es nicht, dass dort nichts war. Schließlich stieg sie in den Wagen, startete den Motor und steuerte die Ausfahrt an. Das alarmierende Gefühl wurde sie dennoch nicht los. Es war, als wäre ihre Haut aufgeladen und übersensibel.
    Roxy blickte in den Rückspiegel und glaubte, etwas in unglaublicher Geschwindigkeit über den verlassenen Parkplatz huschen zu sehen. Sie trat auf die Bremse und brachte den Wagen mit einem Ruck zum Stehen. Darauf legte sie den Arm auf die Lehne des Beifahrersitzes, in dem Dana immer noch schlief, und spähte wieder angestrengt ins Dunkel. Fünf Sekunden, zehn Sekunden – wieder

Weitere Kostenlose Bücher