Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde
interessant sein könnte, bevor du ihm an die Kehle gegangen bist?“, fragte Calliope.
„Nur einen Haufen Scheiße.“ Roxy rieb sich mit zwei Fingern die Nasenwurzel. Ihr brannten die Augen. „Einen Namen hat er allerdings genannt. Krayl. Ich bin nur nicht sicher, ob damit der tote Reaper gemeint war oder derjenige, der ihn getötet hat.“
„Krayl“, wiederholte Calliope nachdenklich. „Sagt mir nichts. Wer soll das sein? Ein Dämon?“
„Ein Seelensammler.“
Calliope musterte sie aufmerksam. Die Schnelligkeit, mit der diese Antwort gekommen war, war ihr aufgefallen. Roxy merkte das sofort. Normalerweise trugen die Seelensammler kein Namensschild am Revers. Um schnell davon abzulenken und nicht zu verraten, woher ihr dieser Name geläufig war, erzählte Roxy die nächste Neuigkeit. „Marin sagte noch, der Tote sei nicht irgendein Seelensammler, sondern Sutekhs leibhaftiger Sohn.“
Für ein paar Sekunden schwieg Calliope. Trotzdem zuckte sie nicht mit der Wimper. Auch wenn sie den Namen Krayl angeblich nie gehört hatte, schien ihr diese letzte Mitteilung nicht neu zu sein.
„Das hättest du mir auch gleich sagen können“, beschwerte sich Roxy.
„Das war nicht so wichtig.“
Roxy sah das anders.
„Aber warum sollten denn die Seelensammler anfangen, sich gegenseitig umzubringen?“, fragte Calliope nachdenklich.
„Sollen sie doch.“ Roxy war entnervt und gab sich keine große Mühe, damit hinterm Berg zu halten.
„Wir sind ein bisschen gereizt heute, wie?“
„Ich doch nicht.“
Calliope lachte. Es war ein sanftes, perlendes Gelächter.
Calliope lachte nie aus vollem Halse. „Und welche kleinen Geheimnisse hat Mr Marin sonst noch verraten?“
„Er meinte, die Setnakhts sind in die Sache verwickelt.“ Roxy berichtete über ihre Erlebnisse an diesem Abend und zählte auch die Namen der Setnakht-Führer auf, die sie auf den Porträts im Tempel gesehen hatte.
„Immerhin einen Namen und den Hinweis auf die Setnakhts. Das, finde ich, ist mehr als ein Haufen …“ Calliope rümpfte die Nase. Das Wort kam ihr nicht über die Lippen. „… nichts. Wir sind damit weiter als vorher.“
„Aber nicht weit genug. Ich kann mir darauf keinen Reim machen.“
„Immer mit der Ruhe, Roxy. Du musst nicht so ungeduldig sein.“
„Ich weiß nicht, ob ich mir Geduld noch leisten kann. Irgendjemand oder irgendetwas war da auf die Parkplatz vor dem Mo tel.“
„Was hast du gesehen?“
„Das ist es ja – nichts. Es muss etwas gewesen sein, das imstande war, sich unsichtbar zu machen.“
„Aber wenn es unsichtbar war, woher weißt du dann überhaupt, dass da jemand oder etwas gewesen ist?“
„Ich hatte so ein Gefühl. Ich kann es nicht beschreiben. Es war nur so ein mulmiges Gefühl, als ich mit dem Kind aus Marins Appartement hinaus auf den Parkplatz gekommen bin. Ich fühlte mich beobachtet – mich oder das Kind, ich weiß es nicht.“ Roxy verschränkte die Hände hinter dem Kopf und ließ sich rückwärts auf die Matratze fallen. Es tat so gut, sich ausstrecken zu können. Sie starrte an die Decke und fügte nach einigem Nachdenken hinzu: „Es könnte ein Reaper gewesen sein.“
„Ein Seelensammler?“, fragte Calliope ungläubig, wobei ihr Ton unvermittelt eine gewisse Schärfe bekam.
Roxy richtete sich mit einem Ruck wieder auf. Sie fragtesich, ob sie zu weit gegangen war. Auch Calliopes Geduld hatte ihre Grenzen.
„Glaubst du im Ernst, dass du noch am Leben wärst, wenn dir ein Seelensammler so nahe gekommen wäre?“
Gute Frage. Ehrlicherweise hätte Roxy jetzt antworten müssen, dass es nicht das erste Mal gewesen war. Schließlich hatte sie sich schon einmal in Gesellschaft eines Seelensammlers, eines der Todfeinde der Isistöchter, befunden. Und er hatte ihr damals nicht nur das Leben gelassen, sondern ihr obendrein zu einem kleinen Startkapital verholfen. Und zu einem Schluck von seinem Blut. Aber selbst wenn sie sich jetzt dazu durchrang, Calliope alles zu beichten – wie sollte sie ihr jahrelanges Schweigen erklären?
Roxy zuckte die Schultern. „War nur so eine Idee, so etwas wie ein Worst-Case-Szenario.“
„So könnte man es nennen“, meinte Calliope.
Müde rieb Roxy sich die Augen. „Wenn ich es richtig verstehe, wollen die Seelensammler ihren toten Kollegen wieder zum Leben erwecken. Das wollen sie doch, oder?“ Sie sah Calliope an. „Und wir wollen auf jeden Fall dafür sorgen, dass der Tote tot bleibt. Ich glaube, wenn mich jetzt ein Seelensammler
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