Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde
wieder öffnete, war Calliope schon verschwunden.
Das war’s mit Schlaf schön , dachte sie. Wie sollte sie mit dem Gedanken einschlafen, dass ein Seelensammler um ihr Haus schlich? Wenn er wirklich da draußen war, war es das Beste, still liegen zu bleiben. Wenn er hereinkam, würde sie sich ihm stellen und sich verteidigen, auch wenn sie dabei unterging. Wegzulaufen hatte jedenfalls keinen Zweck. Er würde sie überall aufspüren.
Roxy hatte noch die Stimme im Ohr, die sie gefragt hatte: Möchtest du mich wirklich zum Feind haben? Ganz bestimmt nicht. Und doch hatte sie sich inzwischen für das gegnerische Lager entschieden.
Dass sie zur Isisgarde gestoßen war, hatte Roxy nie bereut. Die Gemeinschaft gab ihr Halt, einen festen Platz und ihrem Dasein einen Sinn. Sie war seitdem Teil eines Ganzen, das einem höheren Zweck diente, und konnte so etwas wiedergutmachen, das sie früher getan hatte und aufs Heftigste bereute.
Für eine Sekunde hatte sie wieder den penetranten Krankenhausgeruch in der Nase und glaubte, Rhiannas Keuchen zu hören, mit dem sie um jeden Atemzug gerungen hatte. Roxy presste die Finger ins Kissen, genauso wie sie es damals getan hatten, als sie vor Rhiannas Bett gestanden und den flehenden Blick aus ihren dunklen braunen Augen gesehen hatte. Bitte nicht … Bilder der Vergangenheit. Bilder, die Roxy hasste.
Wie wäre ihr Leben verlaufen, hätte sie sich damals anders entschieden?
Aber das waren müßige Spekulationen, die ihr jetzt nicht weiterhalfen. Wie war sie nur darauf gekommen?
Seufzend stand Roxy auf und ging ins Bad, um sich für die Nacht zurechtzumachen. Als sie fertig war, löschte sieüberall das Licht. Den Weg in ihr Bett fand sie auch im Dunkeln. Dort drehte sie sich auf die Seite und schob sich das Kissen unter den Kopf.
Kaum zur Ruhe gekommen, war ihr der Hunger wieder bewusst. Es war nicht jene Art Hunger, den man mit einem Müsliriegel oder einer anständigen Portion Eiscreme hätte stillen können, obwohl sie keines von beiden verschmäht hätte. Es war ein unbändiges Verlangen nach Blut, dem nun aber eine kleine Kostprobe nicht mehr genügte. Ein ganzes Fass voll wäre ihr am liebsten gewesen.
Unwillig seufzend drehte sich Roxy auf den Rücken und konzentrierte sich darauf einzuschlafen. Sie hatte sich die Fähigkeit antrainiert, Schlaf zu finden, wann immer sie wollte, praktisch auf Kommando, nur weil sich die Gelegenheit bot und vielleicht nicht so schnell wiederkam. Auch dieses Mal dauerte es nicht lange, bis sie eingeschlafen war.
Und wieder hatte sie diesen Traum. Es war seit Jahren immer derselbe verdammte Traum, der sie verfolgte. Erst war es nur eine vage Wahrnehmung von Wärme, die sie an den Wangen und auf den Brüsten spürte. Dann verdichtete sich diese Wahrnehmung allmählich. Es war Haut, die sie fühlte und nun auch riechen konnte, die Haut eines Mannes.
Mit der Zunge fuhr sie den Beckenknochen entlang, schmeckte das Salz auf seiner Haut. Ihr Verlangen flammte auf. Sie wollte ihn schmecken, ablecken, die Zähne in sein Fleisch schlagen und ihn damit zeichnen.
Roxy kniete nackt auf dem Teppich. Mit den Armen hielt sie die muskulösen Oberschenkel des Manns umschlungen. Ihre Handgelenke waren mit einem gelben Nylonseil gefesselt. Seine Haut war warm. An den empfindlichen Spitzen ihrer Brüste spürte sie bei jeder Bewegung die feinen Haare auf seinen Beinen. Es fühlte sich gut an, verdammt gut. Sie konnte einfach nicht genug davon bekommen. Sie konnte von ihm nicht genug bekommen.
Sie legte den Kopf in den Nacken und sah ihm ins Gesicht. Ein männlich-schönes Gesicht mit harten Zügen. Seine grauen Augen funkelten im Halbdunkel, als bündelten sie die Strahlen des Mondes, der durch das offene Fenster ins Zimmer schien.
Schön waren diese Augen, schön und so vertraut. Das war nicht das geisterhafte Ka, die durchscheinende Körpergestalt eines Verstorbenen, oder sein Ba, die flüchtige Erscheinung seiner Seele. Dieses war ein heißer, handfester männlicher Körper.
Sie benetzte sich die Lippen und senkte wieder den Blick. Von wilder Gier halb betäubt, sah sie vor sich seinen Schwanz. Zaghaft zunächst streifte sie ihn mit den Lippen. Dann wagte sie sich mit der Zunge hervor. Sie konnte gar nicht anders. Groß und stark wie ein Turm stand er vor ihr. Da nahm sie ihn in den Mund und hörte über sich, wie er einen langen Seufzer ausstieß. Er fuhr ihr mit den Fingern durchs Haar und hielt sie fest, damit sie dort blieb, wo sie war, während er
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