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Herzenstimmen

Herzenstimmen

Titel: Herzenstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sendker
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selbst die teuersten Reinigungen der Upper East Side. Er erinnerte daran, dass das Zimmer, in dem der Schmerz zu Hause war, immer nur vorübergehend unbewohnt blieb.

9
    E r hatte mich berührt. An meinen empfindlichsten Stellen.
    Er war in mich eingedrungen. Nicht nur körperlich.
    Etwas von ihm würde in mir bleiben.
    Am nächsten Morgen stand neben meinem Lager eine Tasse mit lauwarmem Tee. Daneben warteten auf mich ein großer Strauß roter Hibiskusblüten und ein Kranz aus weißem Jasmin, der seinen wunderbaren Duft verströmte. Der Schlafsack meines Bruders war leer. Ich hatte verschlafen.
    Auch in der Halle waren die Matten weggeräumt. Bis auf Thar Thar und U Ba arbeiteten bereits alle auf dem Feld. Die beiden saßen auf den obersten Treppenstufen vor dem Haus und tranken Tee. Ich bekam Herzklopfen bei dem Anblick.
    Thar Thar stand sofort auf, als er mich sah. Er begrüßte mich mit einem schüchternen, scheuen Blick. Einen Moment standen wir uns stumm gegenüber, verlegen wie zwei Teenager.
    »Danke für die Blumen«, flüsterte ich. »Das ist sehr lieb.«
    Sein Strahlen. Wie ich ihn um diese Augen beneidete.
    »Guten Morgen, Julia«, sagte mein Bruder. »Wie war deine Nacht?«
    Ich suchte in seiner Miene nach einem Anzeichen, ob er diese Frage doppeldeutig oder anzüglich gemeint hatte. Aber vermutlich war er dazu gar nicht in der Lage.
    »Schön«, antwortete ich und warf Thar Thar ein verstohlenes Lächeln zu. »Sehr, sehr schön.«
    Thar Thar konnte vor Verlegenheit gar nicht still stehen.
    »Warum hat Moe Moe mich nicht geweckt?«
    »Wir hatten das Gefühl, du brauchst den Schlaf«, sagte U Ba.
    »Ich hole dir eine Tasse und etwas zu essen«, sagte Thar Thar und eilte ins Haus.
    U Ba lud mich mit einer Handbewegung ein, neben ihm Platz zu nehmen. Dabei betrachtete er mich fast so intensiv wie an jenem Tag, als wir uns im Teehaus von Kalaw zum ersten Mal sahen.
    »Ist etwas mit mir?«, fragte ich unsicher.
    »Du siehst heute Morgen …«, er neigte den Kopf zur Seite und suchte offenbar nach den richtigen Worten, »… irgendwie anders aus.«
    »Wie anders?«
    »Hinreißend. Verzaubert. Noch schöner als sonst!«
    »Ach mein Brüderchen«, seufzte ich und legte eine Hand auf sein Knie. Am liebsten hätte ich ihn vor Glück in den Arm genommen und fest gedrückt. »Mir geht es einfach nur gut. Es ist schön hier.«
    »Man möchte gar nicht wieder weg …«, fügte er mit einem vielsagenden Lächeln hinzu.
    Thar Thar kehrte mit einer Schale voll Reis, Gemüse und zwei Eiern zurück. Ich war so aufgeregt, dass ich kaum Appetit hatte. Wir saßen schweigend auf den Stufen, auf dem Hof gackerten die Hühner, ein Hund lag dösend im Schatten der Treppe. Es war warm und duftete nach frischen Blumen.
    Thar Thar spielte mit seinen Fingern und atmete unruhig. Er wollte mir etwas sagen, traute sich aber nicht. Irgendwann stand U Ba auf und ging ins Haus.
    Ich warfThar Thar einen zärtlichen Blick zu. »Was machen wir jetzt? Fegen? Kochen? Waschen?«
    »Hättest du Lust, mich auf eine kleine Wanderung zu begleiten? Wir wären am Nachmittag zum Englischunterricht zurück.«
    »Gern, wohin?«
    »Ich möchte dir etwas zeigen.«
    Wir folgten einem Trampelpfad, der uns an braunen, abgeernteten Reisfeldern, Bananenstauden, Palmen und Bambushainen vorbeiführte, durchquerten ein schmales Tal, balancierten über einen Bach und stiegen einen bewaldeten Hügel hinauf. Über uns wölbte sich ein tiefblauer, wolkenloser Himmel. Wir verständigten uns mit Blicken und sprachen wenig. Zwischen uns herrschte eine Stille, in der ich mich mit jedem Schritt mehr aufgehoben fühlte.
    Meine Gedanken wanderten zurück in die vergangene Nacht. Ich war mir nicht sicher über die Bedeutung dessen, was geschehen war, ich wusste nur, dass es nichts mit der Flüchtigkeit einer Affäre in New York zu tun hatte. Etwas an dieser Nacht war anders gewesen, und ich begann zu ahnen, was es war. Er hatte eine Tür in mir geöffnet. Er hatte mich an die Hand genommen und mir Verstecke des Glücks gezeigt. Er hatte mir die Angst vor meinem eigenen Verlangen genommen.
    Ich fühlte eine Nähe zu ihm, die keine Worte brauchte. Eine Vertrautheit, die ich nicht erklären konnte. Eine Seelenverwandtschaft wie bisher zu keinem Mann.
    Ich hatte das Verlangen, seine Hand zu nehmen, stehen zu bleiben, ihn zu berühren, zu küssen, traute mich aber nicht.
    Kurz vor der Hügelkuppe erreichten wir eine Stupa, die mir schon von Weitem aufgefallen war. Ein schmaler

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